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Mord durch Neo-Nazi im Muldentalkreis

Ein Imageproblem

Der Muldentalkreis und vor allem die Stadt Wurzen sind bundesweit vor allem durch eine gut organisierte und brutale Nazi-Szene bekannt.

Angriffe auf Andersdenkende gehörten in der Vergangenheit immer wieder zum Alltag in Wurzen und Umgebung. Der Muldentalkreis gilt als Angstzone, oder im Slang der Rechten: Als ‚national befreite Zone’. Die wenigen ausländischen Geschäftsleute ersetzen schon beinahe ritualisiert die Scheiben ihrer Läden, die von den Rechten eingeworfen werden oder sparen auf bessere Rollläden, wie die Besitzer eines vietnamesischen Gemüseladens.

Die NPD hat einen Stadtrat im Rathaus und besitzt eine sichere Basis in der Stadt. Ein Gastwirt stellte ihr ein leerstehendes Haus als ‚nationales Jugendzentrum’ zur Verfügung, wo sie ihre Schulungsabende ungestört durchführen kann. Der Terror von Rechten hat Tradition in Wurzen, auch wenn sich in den letzten Jahren dort eine kleine Szene von Hip-Hoppern etablieren konnte. Und noch eine Tradition besteht in der sächsischen Kleinstadt. Es ist die der Leugnung des Nazi-Problems und der rassistischen Kumpanei mit den dumpfen rechten Schlägern, die oft auch unabhängig von organisierten Strukturen Überfälle begehen.

Opfer eines solchen rechten Schlägers wurde im Juni diesen Jahres die Rentnerin Christa G., die von dem Täter in ihrer Wohnung erstochen wurde. Christa G. war in ihrer Umgebung als Alkoholikerin bekannt und ihr Mörder der 17-jährige Nazi Patrick K. hatte sich schon einige mal mit der alten Frau zum gemeinsamen Trinken getroffen. Bei einem dieser Treffen, es sollte das letzte sein, dass Frau G. erlebte, fühlte sich der Täter durch sein späteres Opfer beim Telefonieren gestört und stach zu. Seitdem sitzt er in Untersuchungshaft. Für die Staatsanwaltschaft ist das ein klarer Fall. Politische Hintergründe existieren für sie nicht und so wird wohl auch die Ermordung der  Rentnerin in keiner Statistik von Opfern rechtsextremer Angriffe auftauchen.

Der Mörder Patrick K. ist den Behörden einschlägig bekannt, hatte er doch ein hessisches Fernsehteam und zwei Polizisten im August 2001 während Aufnahmen zu einer Dokumentation über Rechtsextremismus in der Region, attackiert. Den Soundtrack dazu bot die Clique von Patrick K. selbst. Sie ließ lautstark eine Göbbels-Rede vom Band laufen.

Auch wenn sich Täter und Opfer kannten und gemeinsam tranken: Eine unpolitische Tat ist die Ermordung der Rentnerin dennoch nicht. Die Selbstverständlichkeit, mit welcher ein selbst ernannter ‚Herrenmensch’ das Leben einer anderen Person auslöscht, steht in der Logik der menschenverachtenden Ideologie des Nazismus. Der Nazi Patrick K. maßte sich an über Tod und Leben zu bestimmen, ganz in der Tradition seiner Vorbilder. Die Ignoranz breiter Teile der Bevölkerung des Muldentalkreises gegenüber rechten Schlägern oder auch organisierten Neonazis bildet die Folie, die das Politische eines solchen Mordes ausmacht.

Es ist dieselbe Gleichgültigkeit und stumme Zustimmung, auf deren Basis der Nationalsozialismus in Deutschland erstarken konnte. Der Schritt zur aktiven Teilnahme ist da nur noch ein kleiner. Seine Möglichkeit haben die Ereignisse von Rostock-Lichtenhagen, Hoyerswerda oder Mannheim Schönau vor zehn Jahren gezeigt, als Flüchtlingsheime unter dem Beifall eines rassistischen deutschen Mobs von Jugendlichen attackiert wurden. Wie klein der Unterschied zwischen Dulden nazistischer Aktivitäten und eigener Täterschaft sein kann, zeigt auch das Beispiel von Dolgenbrodt, wo im deutschen Pogrom-Herbst 1992 die Dorfbevölkerung den Brand eines Hauses, das als Flüchtlingsheim geplant war, goutierte und zu der Tat anstachelte. Die Hintergründe nazistischer Ideologie, der Nationalismus und der Antisemitismus, sind in Deutschland tief verwurzelt. Doch in der Öffentlichkeit und seitens der Politik wird die offene Rechtsentwicklung als Standortproblem, als eines des Image, betrachtet, wodurch Investoren abgeschreckt würden.

Die Barbarei jedoch stellt in diesem Land keinen Einzelfall dar, sie ist vielmehr die Regel, von der die demokratische Aufgeschlossenheit vielmehr die Ausnahme darstellt. Auf bittere Art und Weise bewahrheitete sich in den letzten Monaten bereits zweimal, in Wurzen und im Saarland der Satz aus Celans Todesfuge: ‚Der Tod ist ein Meister aus Deutschland, sein Auge ist blau. Er trifft dich mit bleierner Kugel, er trifft dich genau’.

is/hagalil.com 05-09-02

 


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