Die vor
zweieinhalb Jahren vom CSU-Kanzlerkandidaten Stoiber seinem
österreichischen Kollegen Schüssel empfohlene Koalition der ÖVP mit der
FPÖ, brachte Österreich erstmals die Regierungsbeteiligung einer
rechtspopulistischen Bewegung. Mittlerweile ist diese Koalition am Ende.
Österreichs Kanzler Schüssel (ÖVP) wird Neuwahlen einleiten. Inwieweit
der Rechtstrend in Europa zum Stillstand gekommen ist, wird sich zeigen.
In Deutschland sind die Aussichten, dass nach den Wahlen am 22.
September eine Koalition aus CSU/CDU und FDP die Verantwortung übernimmt
nicht eben gering.
Zum Thema
"Rechtspopulismus in Europa"
bringen wir eine Politikinfo von Alfred Pfaller, Referat
Internationale Politikanalyse in der Abteilung Internationaler Dialog
der Friedrich-Ebert-Stiftung.
Rechtspopulismus in Europa:
Wovon nährt sich die Politik der Ressentiments?
Der gestörte Konsens der
Demokraten
In einer Reihe europäischer Staaten haben politische
Kräfte an Zulauf gewonnen, deren Rhetorik einen Affront gegen die vom
„Konsens der Demokraten“ getragenen guten politischen Sitten darstellt.
Sie appellieren an den Ärger der Normalbürger darüber, dass sie immer
mehr Einschränkungen erfahren durch Außenseiter der Gesellschaft:
Fremde, Gesetzesbrecher, Schmarotzer. Die Ressentiments und Ängste, die
geschürt werden, beziehen sich auf Materielles und Symbolisches. Die
Rechtspopulisten wenden sich an die – so ihre Anklage – geschröpften, im
eigenen Land immer unfreieren und fremderen Bürger. Wird einerseits der
unverblümte Egoismus derer angesprochen, denen man etwas wegnimmt, so
wird andererseits daran ein intensives Wir-Gefühl geknüpft. Der Appell
ans Eigeninteresse verbindet sich so mit der Überhöhung der
Gruppenidentität – meist der nationalen, aber je nach dem auch einer
regionalen, sprachlichen oder rassischen.
Rechtspopulisten werfen den etablierten Parteien vor,
gegenüber den Außenseitern zu nachsichtig und den Belangen der eigenen
(„anständigen“) Bürger zu nachlässig zu sein. Darauf bauen sie eine
weitere Frontstellung auf: Volk gegen politische Klasse, in rechter
Lesart eine in sich verfilzte Gruppe von abgehobenen, inkompetenten,
unehrlichen, lobbyhörigen Hohlschwätzern.
Die rechtspopulistische Botschaft kultiviert das
Vorurteil, sie predigt die Intoleranz und oft genug den Hass. Sie ist
latent oder offen bedrohlich für die Freiheit und die Rechte bestimmter
Bevölkerungsgruppen. Liberal Gesinnten ist sie in hohem Maße anstößig.
Das sollte indes nicht darüber hinwegtäuschen, dass der Unterschied
zwischen „selbstverständlichem“ Abgrenzen und illiberalem Ausgrenzen oft
nur ein semantischer ist. Auch der politische „Mainstream“ schützt ganz
eindeutig die Interessen der nationalen Insider gegen
Außenseiter-Ansprüche auf Teilhabe und Nachsicht. Spricht also die
Rechte nur schamlos aus, was andere mit frommer, folgenloser Rhetorik
bemänteln?
Bis zu einem Grad ja! Dies enthüllt freilich das
„Populistische“ an den Le Pens, Heiders, Schills etc. Sie bauen nicht
nur Scheingegensätze zwischen liberalen „Weicheiern“ und unbeugsamen
Vertretern der Volksinteressen (sie selbst) auf, sie bieten auch simple
Rezepte an, die den Besorgten, Verunsicherten eine schnelle Scheinlösung
suggerieren. So etwas kommt dem Bedürfnis derer entgegen, die
Komplexität und Ungewissheit nicht ertragen.
„Populistisches“ Simplifizieren und Sichanbiedern beim
Wähler ist allerdings auch den etablierten Parteien nicht fremd. Es ist
ein universales Phänomen der modernen Demokratie und wird vom jeweiligen
politischen Gegner – ganz zu schweigen von besorgten Zeitkritikern –
gerne angeprangert. Viel spricht dafür, dass Regierungsverantwortung
auch Rechtspopulisten schnell mit den engen Spielräumen politischer
Gestaltung konfrontieren wird. Der Populismus-Vorwurf gegen sie sollte
also nicht allzu schwer wiegen. Hier unterscheiden sie sich nur graduell
vom „Mainstream“.
Dennoch beunruhigen ihre Stimmengewinne. Sie sind nicht
nur ein Zeichen für eine intolerantere Grundstimmung im Volk, sondern
auch eine Gefahr für „zivilisierte“ (Welt-)Politik. Rechtspopulisten
sind politische Abenteurer, die außerhalb der Disziplin der (dem
„Konsens der Demokraten“ verpflichteten) etablierten Parteien stehen.
Ihr „Vormarsch“ in Europa lässt Zweifel aufkommen, ob die Dämme gegen
substanziell rechtslastige Politik halten, falls ungünstige Umstände
zusammenkommen. Rechtspopulisten haben keine Konzepte gegen Probleme,
aber durchaus Rezepte für politisches Unheil. Schon jetzt könnten sie
evtl. die EU-Osterweiterung verhindern. Nicht zuletzt sehen sich auch
die „demokratischen“ Parteien veranlasst, um rechte Wähler zu werben.
Warum setzen derzeit so viele Wähler in Europa
auf Parteien, die Ressentiments schüren und letztlich nur starke Worte,
aber kaum schlüssige Konzepte zu bieten haben? Die Suche nach einer
Antwort führt die öffentliche Diskussion in unterschiedliche Richtungen.
These 1: Die demokratische Politik entfremdet sich
dem Bürger
Eine Antwort hebt die zunehmende Entfremdung der
etablierten Parteien vom Wähler hervor. Der Diskurs der Parteien, so die
These, habe heute nicht mehr viel mit der Problemwahrnehmung der Bürger
zu tun. Die Parteien böten keine überzeugenden Lösungen an.
Dieser Vorwurf hat unterschiedliche Dimensionen. Auf
der einen Seite konstatiert er eine inhaltliche Ausdünnung des
Politikergeredes, einen Rückzug auf Formeln und eine Tendenz, aus
durchsichtigen Gründen möglichst vielen Wählergruppen möglichst viel –
bei nüchterner Betrachtung Uneinlösbares – zu versprechen. Die
Demokratie biete dabei dem Bürger immer weniger die Auswahl zwischen
unterschiedlichen Politikangeboten und degeneriere zu einem
Attraktivitätswettbewerb zwischen Parteiführern.
Die Ursachen für diese Entwicklung werden u.a. in der
stark nachlassenden Milieu-Verankerung traditioneller Parteien und im
damit zusammenhängenden Verschwinden früherer ideologischer
Polarisierungen gesehen. Die heutigen Herausforderungen ließen kaum noch
eine ideologische oder selbst klar interessenbezogene Profilierung zu.
Dies begünstige die Verschiebung des politischen Wettbewerbs auf andere
Attribute der Kontrahenten – im Positiven: Kompetenz(vermutung), im
Negativen: oberflächliche Popularitätsfaktoren wie Jugendlichkeit,
rhetorische Schlagfertigkeit u.a.
Diese Diagnose rückt gleichzeitig einen anderen Aspekt
der Entfremdung zwischen Politik und Bürgern in den Vordergrund: Die
hohe Komplexität der zu bewältigenden Aufgaben erfordert technokratische
Lösungen, die dem Bürger in der politischen Arena kaum noch zu
vermitteln sind und auch nicht für ideologische Deutung taugen. Die
berüchtigte Politikverflechtung tut ein Übriges. Deshalb wird dem Volk
eine Politikshow geboten, die ihrerseits wenig mit realen Fragen des
Regierens zu tun hat.
Ein weiteres kommt hinzu: Die Notwendigkeit, Mehrheiten
zustande zu bringen, und das bei immer schwächerer milieuverankerten
Parteiloyalität, belohnt diejenige Partei, die sich möglichst wenig in
kontroversen Fragen profiliert, und wenn dann nur in Richtung
Mehrheitsmeinung. Die großen Parteien können nur zu ihrem Schaden dem
Drang zur „Mitte“ und dem Ausrichten an Meinungsumfragen entgehen.
Mittenorientierte Politik wird dabei leicht zur Stagnationspolitik, da
Besitzstände der Mitte nicht angerührt, herrschende Ansichten nicht
provoziert werden dürfen. Das wiederum tendiert ungelöste Probleme
anzuhäufen, die ihrerseits die Legitimation der „Mainstream“-Politik
aushöhlen.
Die Verwässerung der inhaltlichen Aspekte von Politik
bzw. ihre Nichtbeachtung, wo sie dem Streben nach Mehrheiten im Weg
stehen, lässt eine „Marktlücke“ für unterdrückte Themen entstehen, in
die über kurz oder lang alternative politische Kräfte hineinstoßen. Dazu
gehören auch Rechtspopulisten, die vorgeben, die Dinge beim Namen zu
nennen und das bürgerfeindliche Problemverdeckungskartell der
etablierten politischen Eliten aufzubrechen. Wie weit sie dann im
konkreten Fall Gehör finden, hängt von Faktoren wie Charisma,
Organisationsstärke, Themenkonjunktur, nationale Stimmungslage,
ideologische Bindungen der Politikverdrossenen, selbstverstärkendes
Erfolgsmoment etc. ab.
Die Wahrnehmung von Problemstau und politischer
Immobilität – nicht untypisch für mittenorientierte Politik – spielt den
Rechtspopulisten auch das Thema der „starken Hand“ zu.
Man kann aus all dem den Vorwurf an die etablierten
Parteien ableiten, sie kümmerten sich zu wenig um Themen und deren
vernünftige Vermittlung. Man kann aber auch eine gewisse Unabwendbarkeit
der skizzierten Entwicklung konstatieren. Die Aufgabe wäre dann, nach
Ergänzungen zur klassischen Parteiendemokratie zu suchen, die dem Trend
zur inhaltlichen Entleerung entgegenwirken. Das Stichwort
„Zivilgesellschaft“ kommt in den Sinn, womit sich freilich auch keine
uneingeschränkt positive Perspektive der Demokratieerneuerung verbindet.
These 2: Populistisches Potenzial ist eine
permanente Begleiterscheinung gesellschaftlichen Wandels
Auf die Veroberflächlichung des Politikbetriebes
reagiert der normale Politikkonsument nicht mit Protest, sondern mit
Desinteresse und schließlich mit Wahlabstinenz. Unzufrieden sind
zunächst nur die „bekennenden“ Demokraten unter den Bürgern. Die
Nichtwähler sind indes ein wichtiges Reservoir für Rechtspopulisten.
Aber damit sie (und andere) auf die rechtspopulistische Botschaft
ansprechen, braucht es mehr als Desinteresse, nämlich Betroffenheit.
Deren Ursachen wären also zu bestimmen.
Der Sozialwissenschaft ist wohl bekannt, dass meist
nicht diejenigen zu politischer Radikalisierung neigen, deren
persönliche Situation sich drastisch verschlechtert hat (etwa die
Arbeitslosen), sondern diejenigen, die ihre Verortung in der
Gesellschaft – auch was die zugehörigen Werthaltungen und Identitäten
betrifft – bedroht sehen. Rechtes Gedankengut gedeiht dort, wo der
sozio-ökonomische Wandel „Selbstverständlichkeiten“ in Frage stellt und
„Zumutungen“ bringt für die, die sich bislang in einer gesicherten und
gesellschaftlich anerkannten Position sahen. Der Rechtspopulismus
mobilisiert dann typischerweise zu einem – materiellen und ideellen –
Abwehrkampf gegen das Neue, das er an „Eindringlingen“ der
verschiedensten Art und von außen kommenden „Anmaßungen“ (u.a. EU,
Weltmarkt) festmacht.
Nun stellt aber der Prozess der Modernisierung immer
wieder (sozusagen: laufend) frühere Selbstverständlichkeiten infrage und
erzeugt so stets aufs neue jene Unzufriedenheit und Desorientierung, die
rechtspopulistische Deutungsmuster begünstigen. Wie weit dieses
Potenzial dann mobilisiert wird, hängt von den genannten
situationsspezifischen Faktoren ab.
Die These vom rechtspopulistischen Potenzial als
Dauerphänomen deckt sich mit der Beobachtung, dass dezidiert rechte
Parteien beileibe keine Neuentwicklung der letzten Jahre sind. Man denke
z.B. an den zeitweiligen Erfolg der NPD in den sechziger Jahren oder, um
noch weiter zurückzugehen, an Poujade im Frankreich der 50er Jahre. So
gesehen wäre es eher erstaunlich, wenn der beschleunigte soziale Wandel,
für den Begriffe wie „Globalisierung“, „Dienstleistungsgesellschaft“ und
„Informationsgesellschaft“ stehen, keine Rechtspopulismus-Konjunktur
hervorbrächte. Erstaunlich wäre es auch, wenn sich die heutige Version
dieses wiederkehrenden Phänomens nicht an der „Überfremdung“ durch
Zuwanderer festbeißen würde.
Diese Sichtweise ist dazu angetan, die Sache etwas
gelassener zu sehen. Denn der Blick in die letzten fünfzig Jahre
europäischer Geschichte – weiter zurückzublicken, wäre irreführend –
zeigt auch klar die engen Grenzen rechtspopulistischen Wählerprotestes.
These 3: Die postindustrielle Gesellschaft erzeugt
populistisch mobilisierbare Unzufriedenheit
Die Beobachtung, dass es Rechtspopulisten seit
langem immer wieder einmal gelingt, aus gesellschaftlichem Wandel
Kapital zu schlagen, und dass sie bislang nie sehr weit damit gekommen
sind, ersetzt allerdings nicht die Analyse ihrer neueren Erfolgswelle.
Rechte Deutungsmuster treffen heute auf eine andere Realität.
Der Rechtspopulismus erzielt seine Wahlerfolge derzeit
vor allem mit dem Thema der Zuwanderung aus ärmeren Weltregionen. Die
Tatsache wachsender Ausländerpräsenz dürfte für sich allein schon bei
einem Teil der einheimischen Bevölkerung auf Missfallen stoßen und
rechtspopulistisches Wählerpotenzial heranbilden. Die Gründe haben mit
Identität und mit Konkurrenz zu tun. Aber es muss noch etwas
hinzukommen, damit das Ausländerthema die Problemwahrnehmung vieler
Menschen dominieren und zum rechtspopulistischen Protest gegen ohnehin
schon recht restriktive offizielle Einwanderungspolitik (und dahinter
vermutete Leitbilder) führen kann. Das Ausländer- (ebenso wie das
Kriminalitäts-)Thema bringt tiefere Verunsicherungen zum Ausdruck.
In den Jahrzehnten nach dem zweiten Weltkrieg, als sich
die demokratische Kultur in Europa konsolidierte, wurden allfällige
Unzufriedenheiten und Statusbedrohungen durch die alle Schichten
erfassende Prosperitätsentwicklung stets relativiert und bald
neutralisiert. Die Kräfte der gesellschaftlichen Integration, auf die
demokratische „Zivilität“ angewiesen ist, waren gleichsam übermächtig.
Auch Zugezogene wurden relativ rasch „integriert“. Aber die einstige
Generalperspektive der sukzessiven wirtschaftlichen Besserstellung hat
sich verflüchtigt. Der vom Rechtspopulismus immer wieder inszenierte
Abwehrkampf gegen gesellschaftliche Degradierungen und „Zumutungen“
aller Art steht in einem neuen Kontext. Die soziale Schlechterstellung
ist für viel mehr Menschen zu einer realen, nicht nur suggerierten,
Perspektive geworden. Die ökonomisch begründete Integrationsfähigkeit
der westlichen Wohlstandsgesellschaften hat nachgelassen. Gleichzeitig
erhöht die zunehmende „Entgrenzung“ der Welt die Anforderungen an
Integrationsfähigkeit. Integrationsdefizite mit all ihren
Bedrohlichkeiten für den „Normalbürger“ erscheinen als unumgängliche
Konsequenz.
Die Gründe für ein eventuelles Ende der sozial
integrierten Massenwohlstandsgesellschaft werden vielfach in der
„Globalisierung“ gesehen. Wichtiger ist aber wohl der Übergang von der
Industrie- zu einer Dienstleistungsökonomie, der zwar neue
Berufskarrieren, für Viele aber auch die Perspektive des sozialen
Abstiegs mit sich bringt. Vielen bleibt die schöne neue Welt der „New
Economy“ verschlossen. Sie finden sich stattdessen als Anbieter gering
entlohnter einfacher Dienstleistungen wieder. In diesem Kontext wird
dann auch die „Globalisierung“, d.h. der vom weltweiten Wettbewerb
zweifellos ausgehende Anpassungsdruck schnell als „existentielle“
Bedrohung wahrgenommen.
Für unsere Überlegungen sind indes die eigentlichen
Ursachen der neuen gesellschaftlichen Entwicklung weniger wichtig als
deren Richtung. Entscheidend ist, dass die rechtspopulistisch
verwertbaren Probleme gewichtiger werden und dass vorerst keine
Richtungsänderung in Sicht ist. Es sieht so aus, dass die Vorzüge der
„globalisierten Informationsgesellschaft“ exklusiver sein werden als die
der „fordistischen“ Industriegesellschaft. Die Ressentiments, die den
Rechtspopulismus begünstigen, könnten sich – im Gegensatz zu früheren
Anlässen – verfestigen.
Resümee: Perspektiven und Herausforderungen
Die drei dargestellten Perspektiven auf den neuen
Rechtspopulismus in Europa ergänzen sich. Sie thematisieren
unterschiedliche Aspekte gegenwärtiger demokratischer Politik. Die
Tendenz zur inhaltlichen Ausdünnung der politischen Aussagen der
etablierten Parteien ist eine ernste Herausforderung für die Demokratie.
Aber dass der verdrängte Inhalt ausgerechnet über den Rechtspopulismus
seinen Weg zurück in den demokratischen Diskurs sucht, kann nicht
richtig überzeugen.
Ergiebiger erscheint es, bei den gesellschaftlichen
Verwerfungen anzusetzen, die bestimmte Gruppen empfänglich für
Ressentiment-geladene Polit-Rhetorik machen. Derartige Verwerfungen sind
untrennbar mit dem ständigen Wandel von Wirtschaft und Gesellschaft
verbunden. So gesehen gibt es stets ein rechtspopulistisches Potenzial,
das geschickte Demagogen immer wieder aktivieren können. Damit müssen
die Demokratien Europas leben.
Aber dass dieser Rechtspopulismus in der Vergangenheit
letztlich ein Randphänomen blieb, mag auch daran liegen, dass die
„allfälligen“ Verwerfungen von der weiteren sozio-ökonomischen
Entwicklung stets neutralisiert, ihre Opfer re-integriert wurden. Doch
das Rezept für integrative Entwicklung scheint nicht mehr richtig zu
greifen. Von daher ist nicht unbedingt mit einem baldigen Auslaufen der
rechtspopulistischen Welle zu rechnen. Im Gegenteil! Rechtspopulisten
könnten sich sehr wohl in weiteren Parlamenten festsetzen und in
weiteren Ländern an die Regierung gelangen. Sie würden dann in
zunehmendem Maße auch den Tenor der gesamten Parteien-Rhetorik
mitbestimmen und dem politischen „Mainstream“ eine andere, weniger
zivile Richtung geben.
Macht man das zentrale Problem in der
sozio-ökonomischen Entwicklung mit ihrer ungünstigen Bilanz von
Modernisierungsgewinnern und -verlierern aus, ist der anwachsende
Rechtspopulismus zunächst nur – mit der Zeit schriller und hässlicher
werdende – Begleitmusik, nicht die eigentliche politische
Herausforderung. Gelingt es auf Dauer nicht, mit dieser Herausforderung
fertig zu werden, dann könnte allerdings auch der Rechtspopulismus eine
andere Qualität annehmen. Er könnte dann auch substanziell mitwirken an
der Gestaltung der europäischen Gesellschaften (und an der Entwicklung
von „Global Governance“ und Weltwirtschaftsordnung), so wie er jetzt
bereits die Fortsetzung des europäischen Einigungswerks zu behindern
beginnt.
Alfred Pfaller
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11-09-02 |