Die Ermöglichungsbedingungen des Faschismus und des Holocaust sowie ihr
Fortleben in den Menschen und den Verhältnissen, sollen das Thema der
Seminar- und Vortragsreihe beim Campus-Projekt der Kokerei
Zollverein sein. Dabei folgen die Seminare den von der Kritischen
Theorie der Frankfurter Schule beschrittenen Pfaden der Analyse
von Gesellschaft und Subjekten.
Sozialpsychologische Deutungsversuche stehen im Zentrum des Seminars
über die Theorie des autoritären Charakters, mit der die
Veranstaltungsreihe am Samstag und Sonntag, den 24./25. August eröffnet
wird. Anhand von Texten Theodor W. Adornos und Erich Fromms soll dabei
der psychoanalytische Zugang zur Erklärung faschistischen
Massenverhaltens und der diesem zugrundeliegenden psychischen Struktur
der Gesellschaft rekonstruiert werden.
Im Seminar am Sonntag, den 22. September geht es um den Antisemitismus
als zentralen Bestandteil nationalsozialistischer Weltanschauung und
Politik sowie dessen Grundlagen in der kapitalistischen
Vergesellschaftung. Im Mittelpunkt steht dabei der Text
"Nationalsozialismus und Antisemitismus" des amerikanischen Soziologen
Moishe Postone, der an Analysen von Max Horkheimer und Theodor W. Adorno
in dem Buch "Dialektik der Aufklärung" anschließt. Neben der Relektüre
des Textes sollen dessen theoretische Grundlagen und unterschiedlichen
Rezeptionen thematisiert werden.
Wie es um die Aufarbeitung der Vergangenheit in Deutschland im sechsten
Jahrzehnt nach dem Ende des ‚Dritten Reiches’ steht, soll in drei
Vorträgen am Samstag, den 21. September diskutiert werden. Dabei werden
öffentliche, familiale und wissenschaftliche Formen des Umgangs mit der
nationalsozialistischen Vergangenheit betrachtet.
In einem Übersichtsvortrag wird der Freiburger Historiker Ulrich
Herbert
den Wandel des Bildes des Nationalsozialismus in der wissenschaftlichen
wie politischen Öffentlichkeit der BRD nachzeichnen, der sich im
wesentlichen durch die späte Wahrnehmung und Erforschung des Holocaust
und der an ihm beteiligten und von ihm profitierenden Täter und
Mittäter, ihrer Handlungsmotive und ideologischen Einstellungen
auszeichnet. Herbert wird dabei darstellen, wie das Selbstbild der Täter
als nicht verantwortliche Befehlsempfänger auch die
geschichtswissenschaftliche Aufarbeitung des Nationalsozialismus geprägt
hat.
Schuldabwehr bildet auch das Thema von zwei weiteren Vorträgen am
Samstag.
Der Hannoveraner Sozialpsychologe Harald Welzer wird die
Ergebnisse seiner Mehrgenerationenstudie zu Familienerzählungen über den
Nationalsozialismus vorstellen. Er bezeichnet die Entwicklung einer
Entlastung der Täter durch ihre Kinder und Enkel als „kumulative
Heroisierung“ und konstatiert ein Auseinanderklaffen von abstrakter
Verurteilung des Holocaust bei gleichzeitigen Rettungsversuchen der
Familiengeschichte.
Diese Tendenz sieht auch der Hamburger Journalist Günther Jacob,
der über die Aussöhnungsversuche mit der Tätergeneration referieren
wird. Dabei beschäftigt er sich speziell mit der Einebnung der Differenz
zwischen Tätern und Opfern, die v.a. in der neueren „Oral History“ über
den NS unterschiedslos als „Zeitzeugen" charakterisiert werden. Dies
zeigt sich, Jacob zufolge, besonders in der Übertragung der Erkenntnisse
über die Traumatisierung von Holocaust-Überlebenden und ihren
Angehörigen auf die Täter und ihre Nachkommen.
Vorträge Im September
Samstag 21.9.02
Harald Welzer
(Sozialpsychologe, Hannover)
- Kumulative Heroisierung.
Nationalsozialismus und Krieg im Gespräch zwischen den Generationen (16h)
Günther Jacob (freier Journalist, Hamburg)
- Stille Post. Die deutsche Oral History und die Relativierung von
Auschwitz (18h)
Ulrich Herbert
(Historiker, Freiburg)
- Vernichtungspolitik. Neue
Antworten und Fragen zur Geschichte des Holocaust (20h)
Seminar im September
Sonntag 22.9.02
Seminar:
Moishe Postones Antisemitismustheorie
Ein Reader zu den Veranstaltungen ist seit Juni erhältlich.
Weitere Informationen unter
www.kokereizollverein.de
hagalil.com
20-09-02