Möllemann kontra Westerwelle:
Warum "freidemokratischer" FDP Showdown in NRW?
Von Max Brym
Am 22. September dem Wahlabend wurde auf allen Kanälen vom "Faktor-Möllemann"
gesprochen. Statt der bombastisch angekündigten 18% erreichte die FDP nur
bescheidene 7,4% der abgegebenen Stimmen. Für jede liberal-konservative
Charaktermaske trug dafür der fallschirmspringende Möllemann die Verantwortung.
Es war von Vertrauensbruch und ähnlichem die Rede. Am Sonntag dem 23.09.2002
verkündete Möllemann seinen Rücktritt als stellvertretender
FDP-Bundesvorsitzender. Jetzt versucht Westerwelle ihn auch als Chef des
mächtigen FDP-NRW-Landesverbandes zu verdrängen. Attestiert wird das Ganze von
altbekannten FDP-Politgranden wie Wolfgang Gerhard, Klaus Kinkel und sogar von
dem Ziehvater Möllemann`s Hans Dietrich Genscher.
Was sind ihre Argumente?
Die Argumente gegen Möllemann bewegen sich auf der Ebene des Hauen und Stechens
in einem Fußballverein, der in der Krise steckt. Ein Herr Solms sprach von dem
Quartalsirren Möllemann, und ein bekannter FDP-Graf zweifelte am Geisteszustand
Möllemanns . In der Medienlandschaft wird das Ganze dargestellt, wie ein großer
Showdown indem sich am kommenden Wochenende zwei Boxer namens Möllemann und
Westerwelle gegenüberstehen. In der medialen Berichterstattung fällt auf, daß im
Gegensatz zu einem Bundesligaspiel kein inhaltlicher Grund für die
Auseinandersetzung präsentiert wird. Es wird höchstens angedeutet, daß Möllemann
die FDP nach rechts drängen will (dies trifft ausnahmsweise zu). Meist wird der
starke Mann aus NRW, der in den 80-er Jahren von einem bekannten Politiker als
Riesenstaatsmann "Mümmelmann" belobigt wurde, wegen mangelnder Teamfähigkeit
attackiert.
Einzig die große alte Dame der FDP Hildegard Hamm-Brücher
brachte die Sache auf den Punkt. Sie trat nach über 50-jähriger Mitgliedschaft
aus der FDP aus, mit der Begründung: "Die FDP ist nicht mehr meine Partei, sie
wird rechtslastig und hat antisemitische Tendenzen." In einem Brief an
Westerwelle erklärte sie, "Sie haben lange die rechten und antisemitischen
Tendenzen innerhalb der FDP gedeckt. Die FDP ist nicht mehr meine Partei." Damit
näherte sich Hildegard Hamm-Brücher der gegebenen Realität innerhalb der FDP
stark an. Denn Westerwelle beabsichtigt nicht den Antisemitismus seines
Widersachers Möllemann entschieden zu bekämpfen, im Gegenteil zwischen den
Beiden "Parteifreunden" findet ein Kampf um die Frage statt: Wie altbacken oder
modernistisch aufgemotzt darf den Antisemitismus daherkommen.
Zur Erinnerung
Im Frühjahr dieses Jahres griff Möllemann den stellvertretenden
Zentralratsvorsitzenden der Juden in Deutschland Michel Friedman diffamierend
an. Er behauptete, das "Friedman durch seine arrogante und gehässige Art, den
Antisemitismus in Deutschland fördere". Ergo Michel Friedman wurde nicht
argumentativ angegriffen als Person Friedman, sondern als Jude. Im gleichen
Zusammenhang wurde der gegenwärtig steigende Antisemitismus in Deutschland mit
der Person Ariel Sharon in Verbindung gebracht. Auf gut deutsch hieß das, "die
Juden haben den Antisemitismus selbst zu verantworten". Es gab das Theater um
den Ex-Grünen Karsli, den Möllemann in die FDP-Landtagsfraktion in NRW aufnahm.
Jener Karsli gab kurz vorher der rechtsradikalen "Jungen
Freiheit" ein Interview, in welchem er von einer "allmächtigen, weltweit
tätigen, zionistischen Lobby" sprach . Vorher bereits bekundete der Vorsitzende
der deutsch-arabischen Gesellschaft Jürgen Möllemann Verständnis für die
faschistoiden Selbstmordattentate auf Zivilisten in Israel. Westerwelle rang
sich nie zu einer Entschuldigung gegenüber der Öffentlichkeit und gegenüber dem
Zentraltat der Juden durch. Er deckte das antisemitischen Treiben in der FDP. Er
duldete die antisemitische Tiraden seines Stellvertreters. In einem Schreiben an
den Zentralrat der Juden bedauerte er nur einige Mißverständnisse, was die Sache
nicht besser sondern schlimmer machte. Ab Juni wurde Möllemann dazu gedrängt,
ohne irgend etwas zurücknehmen zu müssen, doch gefälligst vorläufig dezent zu
Schweigen.
Es ist durchaus annehmbar, daß in dem "postmodernen" Kopf
Westerwelles das antisemitische Vorurteil "auch heute noch ist der Einfluß der
Juden zu groß" eine Rolle spielte. Diese Haltung vertreten nach dem
Meinungsforschungsinstitut Usuma gegenwärtig 31% der befragten Westdeutschen.
Dieses antisemitische Vorurteil, daß in West-Deutschland dramatisch zunahm und
zwar von 14% im Jahr 1998 auf 31% im September 2002, dürfte auch Jürgen
Möllemann gängig sein. Nichts desto trotz sieht sich Möllemann selbst, nicht nur
als Politegozentriker sondern auch als starken Mann. Einige Tage vor der Wahl
ließ er ein Faltblatt in NRW verteilen, mit dem Titel "Klartext - Mut -
Möllemann". Neben seiner Portraitaufnahme befinden sich in dem Werbematerial
unvorteilhaft abgelichtete Fotos von Ariel Sharon und Michel Friedman. Es ist
nicht klar, ob Möllemann bewußt mit den Begrifflichkeiten Klartext und Mut auf
real existierende neonazistische Zeitschriften bezug nahm. Tatsache ist jedoch,
daß das Naziorgan Signal aus Köln jetzt auf seinen Internetseiten unter der
Parole
www.möllemann-muss-bleiben.de
aktiv für den fallschirmspringenden Hardliner Partei ergreift.
Resümee
Es fällt auf, daß Westerwelle und sein Anhang zum Landesparteitag in NRW nicht
mobilisieren, um dem antisemitischen Treiben Möllemanns ein Ende zu setzen.
Nein, sie mobilisieren gegen den Querulanten, gegen den der sich nicht
"einbinden läßt" und der ihnen vielleicht, obwohl es nicht gesagt wird, den
Antisemitismus zu offen herauskotzt. Es besteht der begründete Verdacht, daß
Westerwelle nicht vor hat, mit dem Projekt Möllemanns die FDP zu rechten
Volkspartei zu machen, brechen will, sondern nur seinen Quälgeist loswerden
will. Eine Absage an den in der bundesdeutschen Gesellschaft stärker werdenden
Antisemitismus, ist seitens der FDP-Spitze nicht gedacht. Höchstens an einen
etwas "moderner" daher kommenden Antisemitismus, ob ihnen das gelingt ist noch
offen.
hagalil.com
30-09-02 |