Martin Hoextermann
Junge Welt, 16.09.2002
Grosse Pleite für die NPD in Freiburg: Nicht die erwarteten 500 bis
1000, sondern lediglich 100 ihrer "volkstreuen Kameraden" brachte die
rechtsradikale Partei am Sonnabend auf die Beine. Auch aus dem
angekündigten Marsch durch die süddeutsche Universitätsstadt wurde
nichts. Geschlagene drei Stunden schmorten die Glatzen in der
Mittagssonne auf dem Bahnhofsvorplatz, bevor sie ihre Fahnen
unverrichteter Dinge wieder einrollen mussten. Zuvor hatte rund 15000
Demonstranten das von der Polizei geschützte braune Häuflein von allen
Seiten eingekesselt und damit erfolgreich verhindert, dass sich der
Trupp in Bewegung setzen konnte.
"Angesichts der großen Zahl der Gegendemonstranten war es nicht
möglich, einen Demonstrationsweg für die NPD freizugeben", erklärte
Freiburgs Polizeichef Helmut Mayer. Mehrmals hatte die Polizei per
Lautsprecher dazu aufgerufen, die Blockade der Strasse aufzulösen – ohne
Gehör zu finden. "Wir weichen nicht der NPD" und "Nazis, haut ab"
skandierten die Demonstranten.
Kein Gehör fand auch der NPD-Landesvorsitzende Siegfried Haerle. So
sehr er auch ins Mikrofon brüllte, seine Worte gingen in den Pfiffen und
"Nazi-Raus-Rufen" der Gegendemonstranten unter. Nach drei Stunden war
der braune Spuk vorbei, die Polizei geleitete die Glatzen in einen
Nahverkehrszug, der sie vom Hauptbahnhof abtransportierte. "Es diente
auch dem Schutz der Versammlungsteilnehmer, dass wir im Interesse der
öffentlichen Sicherheit und Ordnung ein vorzeitiges Ende der
NPD-Versammlung verfügt haben", teilte Mayer mit. "Die Stadt kapituliert
vor dem Mob", ärgerte sich dagegen Haerle über den verpatzten Auftritt.
Sowohl das vom DGB initiierte "Bündnis gegen Rechts", das an diesem Tag
unter dem Motto "Freiburg steht auf – Gegen Fremdenhass und Rassenwahn"
einen volksfestartigen Aktionstag initiiert hatte, als auch die autonome
Szene sprachen in seltener Eintracht von einem großen politischen
Erfolg. "Wir haben gezeigt, dass in dieser Stadt für Intoleranz,
Rassismus und Fremdenfeindlichkeit kein Platz ist", sagte
Oberbürgermeister Dieter Salomon (Bündnis 90/Grüne). Auch im autonomen
Zentrum KTS freute man sich über die Niederlage der Faschisten. Zugleich
verurteilte man jedoch die Platzverweise, die die Polizei am Vormittag
gegen 68 autonome Antifaschisten ausgesprochen hatte, als "Willkür der
Staatsgewalt".
Zuvor hatte Rhetorikprofessor Walter Jens auf einer Großkundgebung die
Ausländerpolitik der baden-württembergischen Landesregierung scharf
kritisiert. "Einen solchen Tag können wir jederzeit wieder auf die Beine
stellen, sollten die Rechtsradikalen auf die Idee kommen, hier noch
einmal demonstrieren zu wollen", kündigte DGB-Chef Jürgen Hoefflin an.