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Judentum und Israel
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Jürgen W. Möllemann und die selbstbewusste Nation auf Ostsee-Tour

Wo die 18 Sinn stiftet

An einem sonnigen, wenn auch stürmischen Sommerabend im August will er landen. Jürgen W. Möllemann an der Seebrücke im schönen Urlaubsörtchen Graal-Müritz an der Ostsee: mit dem Fallschirm. 

Jedoch: Möllemanns Auftaktveranstaltung seiner „Fallschirmtour“ entlang der Ostsee im Rahmen des FDP-Wahlkampfes beginnt mit einer Pleite: das stürmische Wetter mit Windstärke 8 verhindert seine Landung mit dem Fallschirm, so dass er in seinem sportlichen blau-gelben „18%-Dress“ mit dem Slogan „Uns schickt der Himmel“ etwas fehl am Platze wirkt. Kaum beginnt er zu reden, die nächste Panne: drei Frauen entrollen ein Transparent mit der Aufschrift: „Die Deutschen werden den Juden Auschwitz nie verzeihen.“

Die ersten Reaktionen auf das Transparent kommen aus dem Publikum, etwa 100 bunt gemischte Urlauber und ortsansässige FDP-Fans: Ein älterer Herr mit weißen Haaren und seine Frau stellen sich demonstrativ vor das Plakat unterstützt von zwei jungen FDP’lern mit blauen „18%-T-Shirts“. Nach einem kleinen Gerangel mit einem Rentner aus der Gegend, der eine Transparentträgerin unsanft aus dem Weg schubsen will, mischt sich Herr Möllemann ein und gesteht den Protestierenden einen Platz am Rande zu. Der weißhaarige Herr, auf den Transparentspruch schauend, schimpft: „Wisst Ihr denn überhaupt, wie schlimm die Palästinenser leiden müssen...?“

Während Möllemann seine Wahlkampfrede fortsetzt, schaut das Publikum immer wieder verstohlen auf das Transparent. Ein kleines Mädchen fragt seine Mutter: „Du, was heißt Auschwitz...?“ Die Mutter erklärt es Ihr.

Als Möllemann mit einem Seitenblick auf die Plakatträgerinnen auf das Thema Nahost zu sprechen kommt und nochmals seine Kritik am 2. Vorsitzenden des Zentralrates der Juden Michel Friedmann wiederholt, applaudiert das Publikum begeistert. Auch sein Satz: „Ich werde mich weder vom Zentralrat der Muslimen, noch von irgend einer anderen religiösen Vereinigung davon abhalten lassen, meine Meinung zu sagen...“ stößt bei den Zuhörenden auf Beifall.

Nachdem Möllemann seine Rede beendet hat und Autogramme gibt, werden die Transparentträgerinnen mit Fragen bestürmt: „Haben Sie nicht einen Rechtschreibfehler in ihrem Spruch? Müsste es nicht genau anders herum heißen, dass die Juden den Deutschen...?“ Hingewiesen auf den Hintergrund des Zitates des jüdischen Psychoanalytikers Zwi Rex, der damit die aggressive Erinnerungsabwehr der Deutschen nach 1945 auf den Punkt bringt, reagieren die Diskutanten mit eben dieser Abwehr der Erinnerung:  sie schimpfen auf die „Juden mit dem vielen Geld in New York“, auf Friedman, der mit „seiner arroganten Art den Antisemitismus in Deutschland schürt“...

Ein ortsansässiger FDP-Funktionär betont seine „enge Freundschaft“ zum verstorbenen ehemaligen Vorsitzenden des Zentralrates der Juden Ignatz Bubis und dass sich dieser bestimmt nicht an den (antisemitischen) Äußerungen seines Parteifreundes Möllemann gestört hätte. Ein ergrauter Herr mittleren Alters sagt, dass er „keine Probleme mit Juden“ hätte, nur mit Zweien, nämlich den beiden „jüdischen Offizieren, die Dresden bombardiert“ hätten.

Ein Familienvater am Stock schimpft noch auf „Friedmans schlechte Kinderstube“: „wenn mein Sohn sich so daneben benehmen würde, wie Friedman, dem würde ich eins hinter die Löffel geben...“

Eine blonde Frau mittleren Alters sagt nach einiger Zeit Nachdenkens und Zuhörens, dass sie sich „jetzt schon überlegen“ würde, „ob sie die FDP wählt, denn die Deutschen haben wirklich viel Leid angerichtet und was Möllemann in der Vergangenheit geäußert hat...“

Die beiden jungen FPD-Fans wehren standhaft ihre Verantwortung für die deutsche Geschichte ab, indem sie immer wieder betonen, dass man sich zwar damit „auseinandersetzen“ sollte, aber, dass doch endlich mal Schluss sein müsse, mit dem ewigen Herumreiten auf der deutschen Schuld. Sie wollen eins, das sie mit den meisten BesucherInnen der Wahlkampfveranstaltung gemeinsam haben: zurück zur selbstbewussten Nation Deutschland – ohne wenn und aber.

Der Star des Abends Jürgen W. Möllemann ist längst gegangen und die Sonne hinter der Seebrücke versunken, als die Transparentträgerinnen und einige WahlkampfbesucherInnen noch immer eifrig über den Antisemitismus in Deutschland diskutieren.

Kirsten Döhring / hagalil.com 23-08-02

 


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