Rechtextremismus und Männlichkeit
Auch Nazis sind (nicht) nur Männer
In den letzten
Jahren ist es en vogue geworden, den Zusammenhang zwischen
Rechtsextremismus und Männlichkeit zu diskutieren. Dabei steht außer
Frage, dass die geschlechtsspezifischen Bedingungen, die bei der
rechtsextremen Orientierung von Männern, aber auch von Frauen, relevant
sind, beleuchtet werden müssen. Gerade die Forschung zu rechten Frauen
ist, leider, immer noch die Domäne einiger feministischer
Spezialistinnen und längst kein Allgemeingut in der
Rechtsextremismusforschung.
Vorangestellt sei,
dass bei rechtsextremen und nazistischen Einstellungen zwar
geschlechtsspezifische Faktoren eine wichtige Rolle spielen, es jedoch
kein Primat des Patriarchalen bei den Gründen für rechte Orientierungen
gibt.
Vielmehr sind es die
allgemeinen gesellschaftlichen Bedingungen und das ökonomische System
des Kapitalismus, welches charakterliche Dispositionen im Laufe des
Lebens immer wieder neu mitprägen. Häufig wird die Diskussion auf die
überwiegend von Männern begangene Gewalt zentriert. Betrachtet man
jedoch die Einstellungsmuster von Männern und Frauen, so ergibt sich
bereits ein differenzierteres Bild. Auf der Ebene von rechten
Einstellungen lässt sich empirisch kein signifikanter Unterschied
zwischen den Geschlechtern feststellen.
Aufgezeigt werden im
Folgenden Tendenzen autoritärer Männlichkeit in der rechten Musikszene.
Aspekte organisierter Rechtsextremer und deren Bild als "politischer
Soldat" decken sich hiermit zum Teil, gehen aber auch über das
Dargestellte hinaus.
Im Zuge der
fortschreitenden Durchkapitalisierung der menschlichen Lebensbereiche
verfällt zusehends die Bedeutung der bürgerlichen Familie. Damit wird
die Dominanz der elterlichen Autorität untergraben. Diese Autorität
entpuppt sich für das Kind ohnehin als eine, die nur von ihm in seiner
Abhängigkeit als allmächtig erlebt wird. Die reale gesellschaftliche
Ohnmacht der Eltern entdeckt das Kind relativ früh in seiner
Entwicklung. Durch den Bedeutungsverlust der Familie bekommen
Institutionen wie Kindergarten, Schule, Medien aber auch peer-groups für
das Kind oder die späteren Jugendlichen bei der Wissensvermittlung und
im sozi-emotionalen Bereich eine immer zentralere Bedeutung und ersetzen
teilweise das Elternhaus.
Die zusätzliche
Erfahrung einer sozio-emotionalen und/oder zeitlichen Vernachlässigung
durch die Eltern ist erst einmal geschlechtsübergreifend und befördert
die außerfamiliäre Suche nach subjektiv relevanten Identitätsbezügen.
Dabei ist für Jungen im geschlechtsspezifischen Kontext von besonderer
Bedeutung, dass sie in der Regel keinen Ort für einen kommunikativen
Austausch über eigene Probleme beispielsweise in der
Entwicklung ihrer Geschlechtsidentität finden. Väter werden
ausschließlich als Instanz der Überlieferung tradierter
Männlichkeitsmuster erlebt. Jedoch erfährt schon der Junge, dass auch
der Vater an diese Muster nicht heranreicht, beziehungsweise nicht
heranreichen kann, die väterliche Autorität also eine hohle bleibt.
Dennoch suchen Jungs die Geschlechtsidentifikation mit den Vätern und
tradieren so deren Werte, wozu zentral die Abwertung des weiblichen
gehört, um die eigene Kleinheit zu leugnen und nicht zu spüren.
Hegemoniale Männlichkeiten
Das autoritäre
männliche Individuum, das sich rechts oder rechtsextrem artikuliert, ist
nur eine Spielart von ‚normalen’ hegemonialen Männlichkeiten und
orientiert sich an besonders archaischen Entwürfen eben dieser. Der Kampf um
männliche Hegemonie in der Gesellschaft und eben auch bei rechten
Männern orientiert sich an modellhaften Männlichkeiten, die sich auf die
Praktiken sogenannter "guter Männer" beziehen und sich auf drei Bereiche
erstrecken:
-
Sexuelle Vormachtstellung ("Ethnozentristische
Heterosexualität") gegenüber Frauen, die Zeugung von Nachwuchs und damit
verbunden die Kontrolle weiblicher Sexualität als Garantie des
Fortbestandes der Nation, die dem Autoritären als Ersatz für das eigene
schwache Ich und ein ausgelagertes Über-Ich dient und deren Bestand er
daher schon aus eigenem psychischen Interesse zwanghaft wahren muss.
-
Das Beschützen, also die Kontrolle sowohl des persönlichen
Umfelds gegen äußere; imaginierte oder reale, Feinde (dieses Umfeld kann
die Familie sein, aber auch der eigene Kiez, die Straße, das Dorf). Zum
Beschützen gehört aber auch das Privileg des bewaffneten Beschützens der
Nation als Polizist oder Soldat. Gerade letztere Domäne wird zwar an den
unteren Positionen inzwischen auch partiell durch Frauen besetzt, die
höheren Ränge bleiben jedoch eine Männerdomäne.
-
Das Versorgen/Ernähren der Gemeinschaft, womit die
Kontrolle der Produktion, ihrer Technologien, sowie die Hierarchie des
Arbeitsmarkts verbunden ist.
Erwähnt seien hier
die den "guten" Männlichkeiten gegenübergestellten "bösen": Dazu zählen
die Vergewaltiger, sog. "Kinderschänder", Amokläufer, (ausländische)
Gangmitglieder und der ’Jude’.
Die mit den
Praktiken des Nachwuchserzeuger, Beschützers oder Kriegers – "böse"
Männer müssen und dürfen bekämpft werden – und Versorgers verbundenen
Fähigkeiten sind gleichzeitig die Quelle der Legitimation für
hegemoniale Männlichkeit als Identität des männlichen Geschlechts. Die
kollektive männliche Identität dient speziell Ich-schwachen Subjekt als
Ersatz für das eigene und ist dabei immer auf das größere Kollektiv
"Nation", in der Frauen an ihrem strukturell subalternen Platz dann ihre
Rolle spielen, ausgerichtet.
In männerdominierten
rechten Cliquen werden von den Jugendlichen folgende Merkmale
hegemonialer Männlichkeit herausgestellt:
- Die
Zurschaustellung von Mut als dauernde Kampfbereitschaft, man wird so in
der Männergemeinschaft identifizierbar. Diese Kampfbereitschaft muss
immer wieder sichtbar werden und die Bereitschaft zum "Einstecken"
müssen die jungen Männer beweisen.
- Die
Betonung heterosexueller Potenz, die im Allgemeinen gekoppelt ist mit
Frauenverachtung und Schwulenhass. Frauen sollen in gewaltorientierten
rechten Gruppen, wenn es nach dem Bild der Männer geht höchstens am
Rande tätig sein, was häufiger zu Konflikten mit den ‚emanzipierten’
rechtsextrem orientierten Frauen führt.
- Die
betonte Herausstellung der Kompetenz im Umgang mit Technik, vor allem
mit Motorfahrzeugen, und die Bewunderung von schweren Maschinen und
Waffen, aber auch der Informationstechnologien, sowie die Herausstellung
des Wertes körperlicher Arbeit gekoppelt mit
Intellektuellenfeindlichkeit.
Anlässe zu
Konflikten, die zu körperlichen Auseinandersetzungen führen, können im
Wesentlichen drei Kategorien zugeordnet werden:
-
Territoriale Auseinandersetzungen: Bei rechten Jugendlichen betrifft
das die phantasierte Verteidigung der Nation oder "Rasse" gegen
andere. Diese Konflikte können auch auf der Ebene der aggressiven
Verteidigung des Dorfes oder des eigenen Jugendclubs gegen
diejenigen auftreten, die als anders, als abweichend erlebt werden.
Es geht hierbei um die physische Kontrolle über öffentliche Räume im
sozialen Umfeld.
-
Eine wichtige Rolle spielen Besitzansprüche und
Beschützerphantasien, bei oft gleichzeitiger Verachtung der Frauen,
oder deren Einteilung in Bilder von Heiliger oder Hure. Als
politisches Motiv der Rationalisierung wird hier oft der Schutz vor
‚ausländischen’ Vergewaltigern verwendet.
-
Können auch Konflikte um Autos (als Aufwertung von Objekten anstatt
von Menschen) oder die Teilnahme an politischen Aktionen der Linken,
sofern diese Spaß und Action (wie am 1. Mai in Kreuzberg)
versprechen, Anlass zu physischer Auseinandersetzung sein.
Rechte Männlichkeiten in der Jugendkultur
Ihren
jugendkulturellen Ausdruck findet diese Männlichkeit im
Rechtsrockkonsum, der häufig mit gemeinsamen Konzertbesuchen verbunden
ist.
In den Musiktexten
rechter Bands wird eine wilde, ungezähmte Männlichkeit präsentiert, die
vor allem gemessen an den Entwicklungen im Produktionsbereich und dessen
vorwärtsschreitender Automatisierung, archaisch wirkt. Die Insignien des
Rechtsrock zu denen Standfestigkeit, Wehrhaftigkeit, Geradlinigkeit,
Actionorientierung und Härte gehören, zeigen Liedtexte wie von der Band
Sturmtruppen Skinheads im Song "Dein Leben":
"Die Muskeln hart
wie Stahl, der Nacken kräftig wie ein Stier.. Du fühlst dich noch als
echter Mann, kannst die Weicheier nicht verstehn. Und alle Frauen spüren
es, wenn sie dich nur ansehn.. In allen Zeiten bleibst du aufrecht
stehn. Du stellst einen harten Kämpfer dar.. Ein Wikinger mit kurzem
Haar, geschnitzt aus Eichenholz. Grimmig blickst du in die Welt..."
Oder ein ähnliches Beispiel der Skin-Band Schlachtruf: "Für ihn gibt’s
nur eins: Ein harter Schlag trifft ihn ins Gesicht. Doch
Schmerzen? Nein, die kennt er nicht. Das Blut kann schon an seinem Mund
gerinnen, doch für ihn gibt’s nur eins, das heißt gewinnen. Er bleibt
stehn, was auch geschieht, weil er dem Tod ins Auge sieht. So bleibt er
immer unbesiegt, was auch an seiner Rechten liegt. Vom Hass ist er wie
besessen, seine Rache wird er nie vergessen."
Die real kaum
erlebten oder als schwach wahrgenommenen Väter werden in den Liedtexten
im Zusammenhang mit Nation und Volk glorifiziert und künstlich
aufgewertet. So bei der Gruppe Volkstroi im Stück "Vom Vater zum
Sohn" mit dem Refrain: "Vom
Vater zum Sohn ist seit Jahrtausend schon beim germanischen Volk eine
Tradition".
Die väterliche
Erziehungsleistung ist die der Herstellung von Kampfbereitschaft beim
Jungen:
"Bring ihm bei sein Schwert zu führen. Für Recht und Ordnung muß
er kämpfen in dieser Welt."
Andere Bands und
Lieder variieren das gleiche Thema, so Thorshammer und ihre CD
"„Blut fürs Vaterland"; Oidoxie mit "Vaterland erwache!" oder
Sturmwehr im Lied "Stolze Krieger – Söhne Wotans".
Die latent ständig
vorhandene Angst des autoritären, rechtsextremen Mannes drückt sich in
den Liedern als paranoides Gefühl des ständigen Angegriffenwerdens aus.
Dadurch wird ein Zwang zur permanenten Wehrhaftigkeit und dem
Einschreiten gegen vermeintliche
territoriale oder Ehr-Verletzungen ausgelöst. So die Boots-Brothers
in "Fünf Jahre": "Wir gehen vor niemand in die Knie. Das fällt uns
gar nicht ein" oder Kreuzfeuer in dem Stück "Feuersturm":
"Straße für Straße, Stück für Stück, holt euch alles, alles zurück".
Das Gefühl des persönlichen Angegriffenseins korreliert mit der
wahnhaften Vorstellung als Nation "mit dem Rücken zur Wand zu stehen"
und ungerechtfertigt stigmatisiert zu werden: "Sie nennen mich
Nazischwein, doch was ist falsch daran, ein Deutscher zu sein" (Sturmgesang:
"Was kann ich dafür?") oder bei 08/15 im Lied "Deutschland":
"Denn es heißt dann Nazischwein, doch wir sind nur stolz, Deutsche zu
sein".
Deutlich wird die
identitätserhaltende Verbindung von militanten Beweisen der
Mannhaftigkeit und dem Einstehen für "das Vaterland" auch in Textstellen
wie dieser: "Wenn dein Land in seinen Trümmern liegt, ist es an der
Zeit, endlich dafür einzustehn, sei deshalb bereit, laß dich nicht
bezwingen, sei ein stolzer Krieger.." (Sturmgesang: "Sei stolz").
Gleichzeitig
suggerieren solche Texte des Rechtsrock dem rechten Mann die Möglichkeit
der Partizipation in einer Welt, die er als undurchschaubar, abstrakt
und unberechenbar erfährt. Ein weiteres Beispiel hierfür bietet
Kraftschlag
im Lied "Glory": "Verteidige dein Land. Und verteidige dein Blut,
schützt unsere Heimat, unser Hab und Gut".
Auch die imaginäre
Rolle als Beschützer und Eigentümer der Frauen verknüpft mit
Omnipotenzphantasien findet ihren Ausdruck in den Songtexten, so
Kraftschlag
in "Unser Land": "Ihr schwarzen Völker im Süden, wir lassen uns nicht
länger von euch betrügen. Wir wollen eure Asylanten nicht, sie
rauszuwerfen, ist unsere Pflicht. Hände weg von unseren Frauen, sonst
müssen wir euch Ausländern aufs Maul hauen. Denn wir Skins aus dem hohen
Norden, wir können es unseren Frauen auch selbst besorgen".
Zusammenfassend
drückt eine Textzeile der Gruppe Doitsche Patrioten die Angebote
an Ersatz-Selbstwert und Identität aus, die der Rechtsrock den autoritär
Strukturierten liefert: "Mit deutschem Bier und weißen Frauen,
gewinnst du schnell an Selbstvertrauen".
IS/ hagalil.com
11-07-02 |