Am 24. Juni 1922 wurde Walter Rathenau ermordet:
Der Feind steht rechts
Manfred Weißbecker,
Junge Welt
»Haut immer feste auf den Wirth!
Haut seinen Schädel, daß es klirrt!
Knallt ab den Walther Rathenau,
die gottverfluchte Judensau!«
Unzählige Sprüche solcher Art waberten in den frühen zwanziger Jahren
durch Deutschland, ersonnen von strikten Gegnern der Revolution des
Jahres 1918 und der Weimarer Republik, verbreitet von
völkisch-antisemitischen Zeitungen, leichthin aufgegriffen an
zahlreichen bierseligen Stammtischen. In blutigen Ernst verwandelten sie
jene geheimen nationalistisch-rechtsextremen Organisationen, die sich
vorgenommen hatten, mit allen Mitteln und koste es, was es wolle, das
junge und ihnen zutiefst verhaßte, weil aus dem Novemberumsturz
hervorgegangene parlamentarisch-demokratische System aus den Angeln zu
heben. Ihren Zielen zuliebe setzten sie unentwegt den verlorenen
Weltkrieg als Bürgerkrieg fort. Verbrechen zu begehen galt ihnen als
sinnerfüllte Heldentat in den Auseinandersetzungen mit innenpolitischen
Gegnern; sie wollten ein entschiedener Feind sowohl der beiden großen
Arbeiterparteien und der Gewerkschaften als auch aller jener
bürgerlichen Kräfte sein, die für eine demokratische Verfaßtheit des
Staates und für die Überwindung der »Ketten von Versailles« durch
Verhandlungen mit den Siegern eintraten.
Terrorwelle seit 1919
Tausende Arbeiter, gleich ob sie für bessere Lebensbedingungen streikten
oder für eine Sozialisierung der Schlüsselindustrien eintraten, gleich
ob sie den Weimarer Staat verteidigten oder eine sozialistische
Gesellschaft erkämpfen wollten, fielen diesem Terror der Rechten zum
Opfer. Spektakuläre Bluttaten richteten sich gegen ihre Führer: Dies
begann, als Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht von einer barbarischen
Soldateska am 15. Januar 1919 regelrecht hingerichtet wurden, und setzte
sich fort mit der Ermordung von Leo Jogiches, der nach dem Tode der
beiden die Leitung der KPD übernommen hatte. Neben Eugen Leviné kamen
Anfang Mai 1919 viele andere als Funktionäre und Anhänger der zeitweilig
in München errichteten Räterepublik gewaltsam zu Tode. Im Frühjahr 1920
forderte die Niederschlagung der gegen den Kapp-Lüttwitz-Putsch
gerichteten Aktionen ebenfalls zahlreiche Opfer.
Im Jahr darauf erhob sich eine neue Welle rechtsradikaler Terroraktionen.
Sie traf Anfang Juni 1921 den bayerischen USPD-Führer Karl Gareis und am
26. August Matthias Erzberger, der bei einer Wanderung im Schwarzwald
von zwei ehemaligen Offizieren erschossen wurde. Das Attentat galt
weniger dem amtierenden Reichsfinanzminister, vielmehr dem Politiker aus
der großbürgerlich-katholischen Zentrumspartei, der im November 1918 als
Zivilist couragiert genug gewesen war, einen Waffenstillstand zu
unterzeichnen, den die Oberste Heeresleitung zwar gefordert hatte, aber
selbst zu unterschreiben geschickt vermieden hatte. Hugo Haase, der
Vorsitzende der Unabhängigen Sozialdemokratischen Partei erlag im
November 1921 einem Mordanschlag. Am 4. Juni 1922 wurde auf den
Sozialdemokraten Philipp Scheidemann ein Blausäure-Attentat verübt, das
er nur dank glücklicher Umstände überlebte.
Unverblümt riefen im Frühjahr und im Sommer 1922 nationalistische
Zeitungen zu weiteren Morden auf. In ihr Visier gerieten nun vor allem
der Jude Walther Rathenau, der im Februar 1922 in das Amt des
Außenministers eingeführt worden war, und Reichskanzler Joseph Wirth.
Beide hatten maßgeblich den Vertrag von Rapallo vorbereitet und
durchgesetzt, der im April mit Sowjetrußland geschlossen wurde und die
internationale Isolierung Deutschlands aufbrechen half, jedoch allen
nationalistischen und antikommunistischen Kreisen ein Dorn im Auge war.
Insbesondere Rathenau galt der völkischen Rechten als Inkarnation der
verhaßten »Judenrepublik«. Deutschnationale Reichstagsabgeordnete
scheuten nicht vor der Forderung zurück, die deutsche Regierung müsse
vor dem Staatsgerichtshof angeklagt werden, weil sie eine zu nachgiebige
und daher »verbrecherisch« zu nennende Politik gegenüber den
Siegermächten des Krieges betreiben würde.
Mit einem solchen Appell war der Bankier Karl Helfferich - während einiger
Jahre vor dem Ende des Ersten Weltkrieges Vizekanzler und nun einer der
führenden deutschnationalen Politiker - am 23. Juni 1922 im Reichstag
aufgetreten. Am Morgen des nächsten Tages wurde Rathenau ermordet, als
er im offenen Wagen durch Berlin-Grunewald fuhr, um ins Auswärtige Amt
zu gelangen. Ein anderes Auto hatte ihn verfolgt und in dem Moment, da
sich beide Wagen auf gleicher Höhe befanden, fielen fünf Schüsse, eine
Handgranate explodierte.
Alles schien darauf hinzudeuten, daß der Anschlag von langer Hand
vorbereitet worden war. In welchen politischen Kreisen die Mörder zu
suchen waren, konnte jeder wissen. Nach einer reichsweiten Fahndung
stellte die Polizei schließlich am 17. Juli zwei der Täter: Erwin Kern
und Hermann Fischer. Den einen trafen tödliche Schüsse der Verfolger,
der andere nahm sich das Leben. Alle Spuren führten zur Organisation
Consul (OC), die im Mai 1920 aus der am Kapp-Lüttwitz-Putsch aktiv
beteiligten und danach verbotenen Marinebrigade des Kapitäns Hermann
Ehrhardt hervorgegangen war. Diese geheime Terror- und Femeorganisation
hatte sich die Sammlung von »entschlossenen nationalen Männern« zum Ziel
gesetzt, bereit zu Mordtaten und putschistischen Aktionen. In ihren
Satzungen umschrieb sie diese als unumgänglich für die »Einsetzung einer
nationalen Regierung«, welche die »Wiederkehr der heutigen Verhältnisse
unmöglich« mache. Auch die Mörder Rathenaus kamen aus der OC, aus einer
von vielen völkisch-rassistischer Organisationen, die allesamt den Boden
für die Ausbreitung der nationalsozialistischen Bewegung bereiten
halfen. 1
Wirths Reichstagsrede
Rathenaus Tod rief Erschütterung und Empörung hervor. Als der Reichstag
sich am 24. und 25. Juni versammelte, um über den Entwurf eines Gesetzes
zum Schutz der Republik zu debattieren, stieß die Nachricht von der
neuerlichen Untat auf Entrüstung und Protest der parlamentarischen
Mehrheit. Den deutschnationalen Karl Helfferich empfingen mehrere
Abgeordnete mit dem Ruf »Mörder, Mörder, hinaus mit dem Mörder«, anderen
Mitgliedern der rechten Parteien wurden sogar Schläge angedroht.
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In dieser gespannten Situation hielt
Wirth eine leidenschaftliche, von tiefer Trauer erfüllte Rede, an
deren Ende er - auf die rechte Seite des Plenums schauend -
erklärte: »Da steht der Feind, der sein Gift in die Wunden eines
Volkes träufelt: Da steht der Feind - und darüber ist kein Zweifel,
dieser Feind steht rechts.«2
Rhetorisch brillant und von unerhörter Wirkung stellte sie zweifellos
einen Höhepunkt in der Geschichte deutscher Parlamente dar. Wirths
Ansprache richtete sich in ihrer Gänze gegen die Mörder und ihre
geistigen Urheber. |
Mit der Ermordung Rathenaus seien »die
großen Entwicklungen jäh unterbrochen, und die Herren, die die
Verantwortung dafür tragen, können das niemals mehr vor ihrem Volke
wiedergutmachen«. Von den Deutschnationalen, insbesondere vom
Fraktionsvorsitzenden der Deutschnationalen Volkspartei (DNVP), Oskar
Hergt, habe er erwartet, »daß heute nicht nur eine Verurteilung des
Mordes an sich erfolgt, sondern daß diese Gelegenheit benützt wird,
einen Schnitt zu machen gegenüber denen, gegen die sich die
leidenschaftlichen Anklagen des Volkes durch ganz Deutschland erheben.
Ich habe erwartet, daß von dieser Seite heute ein Wörtchen falle, um
einmal auch die in Ihren eignen Reihen zu einer gewissen Ordnung zu
rufen, die an der Entwicklung einer Mordatmosphäre in Deutschland
zweifellos persönlich Schuld tragen.« Einem anderen Abgeordneten der
DNVP hielt er vor, verlangt zu haben, daß das ganze System zum Teufel
gejagt werden müsse, weil »eine deutsche Regierung, aber keine
Ententekommission« gebraucht würde. Man dürfe sich daher nicht »über die
Verwilderung der Sitten« wundern: »Wir haben in Deutschland geradezu
eine politische Vertiertheit«. Es sei eine Atmosphäre geschaffen worden,
in der auch »der letzte Funke politischer Vernunft erloschen ist«.
Bevor Wirth seine Rede mit dem Wort »Dieser
Feind steht rechts« abschloß, hatte er formuliert: »In jeder Stunde,
meine Damen und Herren, Demokratie! Aber nicht Demokratie, die auf den
Tisch schlägt und sagt: Wir sind an der Macht! - nein, sondern jene
Demokratie, die geduldig in jeder Lage für das eigene unglückliche
Vaterland eine Förderung der Freiheit sucht! In diesem Sinne, meine
Damen und Herren, Mitarbeit! In diesem Sinne müssen alle Hände, muß
jeder Mund sich regen, um endlich in Deutschland diese Atmosphäre des
Mordes, des Zankes, der Vergiftung zu zerstören!«
Landesweite Proteststreiks
Gegen die Mordtat bekundeten Millionen Deutsche Trauer, Entrüstung und
Empörung. Am 27. Juni fand ein landesweiter Proteststreik statt. Über
politische Grenzen hinweg formierte sich eine breite Protestbewegung
gegen den Terror von rechts. Sie ging von den großen
Arbeiterorganisationen aus, jedoch beteiligten sich an ihr auch andere
demokratische Parteien und ebenso die Reichsregierung. Am Tag der
Trauerfeier für den toten Minister schloß sich desgleichen die
preußische Regierung mit all ihren Behörden dem Streik an. Die Feier
selbst wurde in allen großen deutschen Städten zu einer Demonstration
für die Republik. In einigen Großstädten waren es mehr als 100000
Menschen, die für die Republik auf die Straße gingen. Es schien, als
könnte die gespaltene Linke zusammenrücken. Noch am Tag der Ermordung
war es im Ruhrgebiet zu Trauer- und Protestkundgebungen gekommen: In
Bochum, Essen, Gelsenkirchen nahmen jeweils bis zu 70000 Kommunisten,
Sozialdemokraten, Gewerkschafter u.a. an den Kundgebungen teil.
Wirths Argument »Dieser Feind steht rechts« verbreitete sich rasch in
allen deutschen Landen, häufig in jener viel bekannteren verkürzten
Form, die da verallgemeinerte: »Der Feind steht rechts«. Indessen war
nicht neu, was Wirth gesagt hatte. Daß er es als bürgerlicher Politiker
und als Reichskanzler ausgesprochen hatte, verlieh dem Wort so viel
Gewicht. »Der Feind steht rechts« - Erkenntnis und Formulierung gehörten
in den Reihen der proletarischen Bewegungen seit langem zu
selbstverständlicher Gewißheit. Immerhin waren Sozialdemokraten und
Gewerkschafter Jahrzehnte hindurch als Feinde von Thron und Altar, als
Feinde der Nation und »Vaterlandsverräter« beschimpft worden. Sie hatten
über sich ergehen lassen müssen, was z.B. 1911 in der Zeitschrift Jugend
gedichtet worden war:
»Der Sozi, rötlich und gemein
hat Hörner, Schwanz und Hinkebein.
Er haßt die Kirche, lieber Sohn,
und stinkt auf 100 Meilen schon.«3
Solche Verteufelung der Linken ging einher mit der sprichwörtlichen
»Blindheit« auf dem rechten Auge, und das auch bei jenen Parteien, die
sich selbst in der sogenannten Mitte verorteten und in den Rechten keine
»Feinde«, allenfalls nur Gegner und Rivalen, sahen. Die der deutschen
Sozialdemokratie nahestehende satirische Zeitschrift Der wahre Jacob
kennzeichnete das Verhalten insbesondere der Nationalliberalen mit den
Worten: »Der Feind steht links, der Gegner rechts!«4
Der Satz »Der Feind steht rechts« geht unmittelbar auf Philipp Scheidemann
zurück, der ihn im Herbst 1919 erstmalig in seinen Reden5 und 1922 nach
dem überstandenen Attentat verwendete. Auch Otto Wels, Mitglied des
SPD-Parteivorstandes, sprach ihn aus, als er am 30.März 1920 im
Reichstag den Kapp-Lüttwitz-Putsch geißelte. Doch in den Sprachgebrauch
der Deutschen ging das Schlagwort erst ein, seit ihn Reichskanzler Wirth
ausgesprochen hatte und im Zusammenhang mit dem Mord an Rathenau im Juli
1922 ein Gesetz zum Schutz der Republik in Kraft trat. Von diesem
erwarteten viele, daß es zu wirksamer Eindämmung terroristischer
Aktionen rechter Kräfte genutzt würde. In der Praxis handhabten es die
Regierenden der Weimarer Republik zumeist gegen Kommunisten und
Sozialisten.
Zweifellos war die Äußerung Wirths unmittelbar der Situation geschuldet.
Ihr Inhalt entsprang jedoch ganz den Auffassungen eines Mannes, der als
Mitglied der katholisch-großbürgerlichen Zentrumspartei den Idealen der
Revolution von 1848/49 huldigte und sich wortgewaltig für das Ende des
Weltkrieges eingesetzt hatte. Wirth entstammte einem sozial und
politisch engagierten katholischen Elternhaus, dem Nächstenliebe und
Mitmenschlichkeit keine leeren Begriffe, sondern Handlungsanspruch
bedeuteten. Seine Vision eines »sozialen und demokratischen
Volksstaates« ließ ihn häufig in Konflikt mit der Führung der
Zentrumspartei geraten. Gegen deren Kurs, sich nach rechts zu öffnen,
opponierte er in den folgenden Jahren und spielte zeitweilig mit dem
Gedanken, aus der Fraktion auszutreten. Daß Wirth im Lager
republikanischer Demokraten nicht allein stand und Politiker anderer
Parteien der »Mitte« ebenfalls die Feststellung »Der Feind steht rechts«
aufgriffen, bewies unter anderem Hugo Preuß, der 1918/19 großen Anteil
an der Ausarbeitung der Weimarer Verfassung genommen hatte. Als er 1924
eine Rede anläßlich des Verfassungstages hielt, wiederholte er bewußt
den Wirthschen Satz und kritisierte als Erbübel, Schwäche und
Kurzsichtigkeit des deutschen Bürgertums, daß es leider dazu neige, »die
Gefahren von links mit einem Vergrößerungsglas und aus Furcht vor diesen
Gefahren die von rechts gar nicht zu sehen«.6
Aus solcher Erkenntnis - vielfach und mit bissiger Schärfe formuliert von
Kurt Tucholsky, Carl von Ossietzky u.a.m. - wäre verantwortungsvolle
Politik auf einen Ausbau der Weimarer Demokratie zu richten gewesen, auf
deren verstärkte und breitere Anwendung, auf ihre Sicherung durch
ernsthafte Schwächung alter und neuer rechtsradikaler Feinde der
Republik. Doch als die Weltwirtschaftskrise begann, der Reichsverband
der Deutschen Industrie als Alternative »Aufstieg oder Niedergang«
vorgab und die NSDAP ihre ersten größeren Erfolge errang, schienen die
Warnungen von Wirth und Preuß der Mehrheit unter den bürgerlichen
Parteien nicht mehr opportun. Im Gegenteil: Da dominierten einerseits
selbstgefällige Lobpreisungen, da wurden andererseits, war von
Gefährdungen der Demokratie die Rede, diese vor allem den Linken, sowohl
den Kommunisten als auch sozialdemokratischen Organisationen,
zugeordnet. Neurotische Furchtsamkeit und hysterische
Realitätsverkennung führten zu immer weiter nach rechts gewendeten
Formen parlamentarisch-demokratisch verfaßter Herrschaftssysteme und
ließen bedenkenlos, nahezu gierig nach der sich anbietenden
rechtsextremen »Hilfe« greifen ...
Eine der bittersten Erfahrungen
Was dem folgte, ist bekannt: Zwölf Jahre faschistische Diktatur, Zweiter
Weltkrieg und barbarische Vernichtung anderer Völker. Seither besagt
eine der bittersten, leider oftmals unberücksichtigten Erfahrungen
deutscher Geschichte im 20. Jahrhundert: Wer damals, in jenen Jahren der
Weimarer Republik, das Potential der Rechtesten unter den Rechten zu
nutzen versucht hatte, half, es entscheidend zu fördern. Insbesondere
die Duldung und Unterstützung chauvinistischer und rassistischer
Forderungen, der Versuch, sie zu legalisieren und - je nach Möglichkeit
und Erfordernis - für eigene Zwecke zu instrumentalisieren, erhoben den
sich braun färbenden Rand der Gesellschaft in den Rang von Normalität.
Tagespolitische Einträglichkeit wurde zum obersten politischen Prinzip
erhoben und ließ schließlich die vielgerühmte »Mitte« der Gesellschaft
zum opferwilligen Spielball selbstzerstörerischer Absagen an jegliche
Form von Demokratie werden. Wer seine Gegner hauptsächlich unter den
deutschen Linken, unter Antifaschisten aller Richtungen sah, stärkte den
Rechten den Rücken, der erleichterte die schrittweise Hinwendung nach
rechts und lieferte zugleich Munition für die zahllosen Argumente, mit
denen Gefahren kleingeredet und unterschätzt wurden. Wer den Demagogen
einer »rassereinen« deutschen Volksgemeinschaft nach dem Munde redete,
besorgte auch deren undemokratische Geschäfte.
Die Weimarer Republik scheiterte. Ihre Repräsentanten hatten den
ausgesprochen rechten Parteien ein Übermaß an Chancen zuteil werden
lassen. Hoffend, den damaligen Rechtsextremismus in ihre Machtambitionen
einbinden und als Juniorpartner gegen die Linken nutzen zu können. Sie
ging zugrunde, weil konkret benennbare Kräfte - ihre rechts stehenden
Feinde - sich zugunsten undemokratischer Machtausübung, politischen
Wahns und zu Ungunsten demokratischer Organisationen entfalten konnten.
Welch schlimme Folge der Mißachtung jener von Wirth und anderen
ausgesprochenen Warnung: »Der Feind steht rechts«.
1 Siehe dazu u.a. Ernst Schulin: Walther
Rathenau. Repräsentant, Kritiker und Opfer seiner Zeit. Muster-Schmidt,
Zürich 1992; Martin Sabrow: Die verdrängte Verschwörung. Der
Rathenau-Mord und die deutsche Gegenrevolution. Fischer, Frankfurt 1999.
2 Verhandlungen des Reichstags. Stenographische Berichte. I. Wahlperiode
1920, Bd. 356. 236. Sitzung. Berlin 1922, S. 8054-8058. Joseph Wirth:
Reden während der Kanzlerschaft, Berlin 1925, S. 395-406 (hier 406)
3 Zit. nach: Der rote Ballon. Die deutsche Sozialdemokratie in der
Karikatur. Hg. von Michael Klant, Hannover 1988, S. 84
4 Der wahre Jacob, 20.6.1911, S. 7110
5 Philipp Scheidemann: Der Feind steht rechts! Arbeiter, seid einig! Zwei
Reden gehalten am 11.September 1919 in Kassel und am 7. November 1919
vor der Nationalversammlung. Berlin 1919
6 Hugo Preuß: Um die Reichsverfassung von Weimar, Berlin 1924, S. 72
* Aus: Kurt Pätzold, Manfred Weißbecker (Hg.): Schlagwörter und
Schlachtrufe I. Aus zwei Jahrhunderten deutscher Geschichte. Militzke
Verlag, Leipzig 2002. 352 S., 24 Euro
hagalil.com 24-06-02 |