Alle Jahre wieder:
Aufmarsch von Neonazis
am 1. Juni in Köln
Alle Jahre wieder das gleiche traurige Spiel: Der Kölner
Polizeipräsident hatte eine von Rechtextremisten geplante
"Erinnerungsveranstaltung zum 60. Jahrestag der Köln-Bombardierung" mit
der Begründung verboten, dass die Neonazis, die bereits bundesweit zu
dieser Demonstration aufgerufen hatten, ihren Kölner Auftritt zur
Begehung von Straftaten wie Volksverhetzung und zu Verstößen gegen das
Waffen- Vereins- und Versammlungsgesetz nutzen wollten.
Doch das Verwaltungsgericht hob das Verbot wieder auf,
wenn auch unter strengen Auflagen für die rechten Demonstranten.
Ob es am schönen Wetter lag oder am ersten WM-Auftritt
der deutschen Nationalelf, es fanden sich gegen Mittag wenig mehr als
drei dutzend Kameraden hinter dem Kölner Hauptbahnhof ein. Eskortiert
von einigen Hundertschaften Nordrhein-Westfälischer Polizei gelangten
sie per U-Bahn zum Reichensperger Platz, wo sie ihren Aufmarsch beginnen
wollten. Weit sind sie nicht gekommen, denn nach kaum einer viertel
Stunde und 500 Metern stellten sich linke Gegendemonstranten quer.
Wie schon drei Jahre zuvor, zeigte die Polizei sich
auch diesmal besonnen und ließ keine Eskalation zu. Nur in größerer
Entfernung kam es an einer Absperrung zu Ausschreitungen, bei denen
einige Aktivisten der Linken aber auch ein Polizeibeamter verletzt
wurden. Außerdem wurden vier linke Gegendemonstranten vorübergehend
festgenommen.
Die Anwohner der kleinen Straße, in der sich die
Demonstranten fast unmittelbar gegenüberstanden, riefen den Rechten
wenig schmeichelhaftes entgegen, sahen dem Schauspiel jedoch zunächst
eher gelassen zu.
Die rechte Kundgebung glich schließlich einer
braungefärbten Märchenstunde. Umringt von ihren Getreuen gaben
selbsternannte Sprecher mit leiser Stimme ihre Version deutscher
Geschichte zum besten. Die anschließende Absingung nationalen Liedguts
zur Gitarrenbegleitung wurde den Anwohnern dann aber doch zuviel.
Umgehend brachten sie die Boxen ihrer Stereoanlage in Stellung und
beschallten die Straße multikulturell durchs geöffnete Fenster.
Alles in allem hat der braune Spuk gut drei Stunden
gedauert. Laut Aussage eines Mitarbeiters vom Staatsschutz kamen dabei
nue ein kleiner Teil der Kameraden aus der Kölner Region. Die übrigen
wurden zum Teil aus Berlin und aus anderen Kreisen rekrutiert,
buchstäblich ein "Freizeitverein Wotans Volk" wie einige Aufnäher auf
schwarzen Jacken besagten.
Zum Abschied trollten sie sich wie schon vor Jahren
mit einem trotzigen "Wir kommen wieder!", was die Gegendemonstranten wie
üblich mit "Wir auch!" quittierten. –
Einige Polizisten lächelten müde, denn auch sie werden
wohl oder übel wiederkommen müssen, manche von ihnen schon in der
nächsten Woche in Leipzig ...
01.06.2002 fsw / hagalil |