Forschungsstandort
Deutschland:
Chinesischer Gastprofessor überfallen
Jena: In der Universitätsstadt Jena ist am Wochenende ein
Gastprofessor aus China überfallen worden - in den letzten Monaten nicht
die erste Attacke auf ausländische Studenten und Wissenschaftler in
Deutschland. Am Samstagabend
verfolgten drei Schläger einen chinesischen Gastwissenschaftler und
schlugen mit den Fäusten auf ihn ein. Der 38-jährige Professor erlitt
Verletzungen im Gesicht, an den Rippen und am Knie; er musste im
Nothilfezentrum versorgt werden. Die Täter, etwa zwischen 18 und 20
Jahre alt, konnten flüchten. Ob es
sich um einen Raubüberfall oder um eine ausländerfeindliche Attacke
handelt, ist nach Angaben der Polizei noch unklar. Die Kriminalpolizei
hat inzwischen eine siebenköpfige Sonderkommission eingesetzt.
Das Wissenschaftsministerium reagierte auf den Überfall
entsetzt. Es werde alles getan, um das Leben ausländischer Studenten und
Professoren auf dem Campus sicher zu machen, sagte Ministeriumssprecher
Stephan Schorn. Gegen Kriminalität außerhalb der Uni könnten
Hochschulen, Studentenwerk und Ministerium aber wenig unternehmen.
Beschimpfungen und Angriffe - kein Ausnahmefall
"Mehrere körperliche überlegene Täter haben sich an einem
wehrlosen Opfer vergangen", sagte Rektor Karl-Ulrich Meyn. Damit hätten
sie auch das Ansehen des Studien- und Forschungsstandorts Jena
beschädigt. Inzwischen habe der chinesische Gastwissenschaftler in einem
Telefonat erklärt, dass er seine Arbeit wieder aufgenommen habe und sich
trotz des Angriffs in Jena und an der Universität wohl fühle.
Pöbeleien, Beschimpfungen und Angriffe sind in ostdeutschen
Hochschulstädten eine echte Bedrohung für ausländische Studenten und
Wissenschaftler. So wurden zwei russische Hochschullehrer im Herbst 2000
in Jena überfallen; zuvor wurden in Erfurt zwei Professoren überfallen;
im Juni 2000 zerrten drei Skinheads einen indischen Forscher aus einer
Telefonzelle und hetzten ihren Hund auf ihn. Im vergangenen Dezember
wurde ein chinesischer Student in Ilmenau verprügelt, und in
Frankfurt/Oder kam es zu regelrechten Hetzjagden auf polnische
Studenten. Nach Berlin kommen Gastwissenschaftler bisweilen nur, wenn
sie nicht im Ostteil der Stadt leben müssen.
Vor einem Jahr ergab eine Umfrage des Deutschen Akademischen
Austauschdienstes (DAAD), dass immer mehr ausländische Studenten sich in
den neuen Ländern bedroht fühlen und deshalb einen Bogen um ostdeutsche
Hochschulen machen. Die größten Probleme gab es dort, wo nur wenige
Ausländer leben.
Die Angst vor Fremdenfeindlichkeit bremst die Bemühungen
der Hochschulen, mehr Studenten und Professoren nach Deutschland zu
holen, spürbar. "Wenn Ausländer hier wie der letzte Dreck behandelt
werden, ist das verheerend für unser Image", so Klaus Landfried,
Präsident der Hochschulrektorenkonferenz. Hubert Markl, Präsident der
Max-Planck-Gesellschaft, ergänzte: "Wir können die hohe Qualität der
deutschen Forschung nur sichern, wenn wir ihre Weltoffenheit
verteidigen. Rassismus ist der Tod einer freien Gesellschaft."
PFS
hagalil.com 22-01-02 |