Keine Chance gegen Rechts?
Die Gesellschaft der unendlichen Mitte
In einem Punkt der Regierungspolitik gleichen sich
die aktuelle Rot-Grüne Bundesregierung und ihre rechts-konservativen
Vorgänger: Im Versagen bei der Bekämpfung von Rechtsextremismus und
Nazismus.
Die Gründe dafür liegen weniger in der Unfähigkeit der
einzelnen Regierungen, sondern in dem was sie eint, nämlich in der
identischen Ideologie des Totalitarismus. Wird staatlicherseits vom Engagement gegen Rechts fabuliert, so folgt häufig genug der
Fingerzeig, man solle aber nicht den Linksextremismus vergesse, dieser
sei mindestens ebenso gefährlich wie die Nazis. So kommt es, dass
Nachrichtendienste und Polizeibehörden heute immer noch mehr dem
„Gespenst des Linksextremismus“ hinterher jagen und oft genug im
Antifaschismus die eigentliche Gefahr für die bürgerliche Demokratie
wittern.
Kurze Geschichte des Totalitarismus-Begriffs
Kreiert wurde er durch italienische Antifaschisten,
die in den zwanziger Jahren die faschistische Ideologie als totalitär
bezeichneten. Die italienischen Schwarzhemden übernahmen den Begriff für
sich und besetzten ihn positiv. Die Errichtung des „totalitären Staates
wurde sich auf die Fahnen geschrieben. Und gleichzeitig der Faschismus
als „Rechtsbolschewismus“, beziehungsweise der Kommunismus als
„Linksfaschismus“ bezeichnet. Eine Einebnung der politischen Gegensätze
ist jedoch reine Ideologie, die im Übrigen auch von der deutschen
Sozialdemokratie übernommen wurde und sich in Abwandlung auch in der
„Sozialfaschismusthese“ der KPD wiederfindet.
Diese kurze Darstellung zeigt, dass der
Totalitarismusbegriff, mit seinen verschiedenen Spielarten, in den
zwanziger und dreißiger Jahren ausschließlich als politischer
Kampfbegriff benutzt wurde. Verlor der Begriff durch das alliierte
Bündnis gegen NS-Deutschland an Bedeutung, so tauchte er mit Anbruch des
Kalten Krieges und des Gründung der Bundesrepublik wieder aus der
Versenkung auf. Der Aufbau Westdeutschland als Frontstaat gegen die
Wahrschauer Vertragsstaaten, und speziell gegen die DDR, war auf das
Innigste kompatibel mit dem Wunsch der meisten Deutschen ihre
mörderische Vergangenheit zu verdrängen. Auch wenn formal im Westen
Deutschlands ein bürgerlich-demokratisches System etabliert wurde, an
der Affinität der Gesellschaft zum nationalsozialistischen
(Un-)Wertekanon änderte sich wenig.
Die scheinbare Lehre aus dem Scheitern der Weimarer
Republik war, sich gegen die „Feinde der Demokratie“ von Links und
Rechts abzugrenzen und damit sich selbst als die neutrale bürgerliche
Mitte zu definieren. In der Bundesrepublik erhielt „die
Totalitarismusdoktrin den Charakter einer Staatsideologie“ (Wippermann),
die ihren praktischen Ausdruck in den Parteiverboten der nazistischen
Sozialistischen Reichspartei (SRP) und der KPD fand.
Die Praxis der Totalitarismusdoktrin
Wurde die Unhaltbarkeit der sogenannten
Totalitarismustheorie in der Forschung über den Nationalsozialismus in
den 70er und 80 er Jahren sehr wohl erkannt, so erlebte sie in Folge des
„Historikerstreits“ eine Art Renaissance. Extremismusforscher, wie
Eckhard Jesse, Manfred Funke und Uwe Backes, die allesamt dem
„neurechten“ Spektrum zugeordnet werden können, gelten bis heute als
Autoritäten. Dabei stört auch nicht, dass Jesse und Backes 1990
gemeinsam mit Rainer Zittelmann im Sammelband „Schatten der
Vergangenheit“ publizierten.
Jesse fordert in diesem Sammelband beispielsweise ein
Ende der „selbstquälerischen Form der Vergangenheitsbewältigung“ (zit.
nach AIB Nr. 51). Und Uwe Backes, 1999 stellvertretender Direktor des
Dresdner Hannah-Arendt-Instituts, verteidigte gar einen Aufsatz in
welchem dem Widerstand gegen den Nationalsozialismus die Legitimität
abgesprochen wurde. Das führte in der Folge dazu, dass sich Saul
Friedländer und andere aus dem Kuratorium des Instituts zurückzogen.
Dennoch werden die Schriften von Jesse und Backes bis heute von der
Bundeszentrale für politische Bildung vertrieben.
Hans-Helmut Knütter prägte über Jahre die Arbeit der
„Bundeszentrale für politische Bildung“ und schrieb 1990 in der
Schriftenreihe de Bundesinnenministeriums „Texte zur inneren
Sicherheit“: „Die Aufdeckung der kommunistischen Untaten legt es nahe,
nationalsozialistische Taten zu relativieren und eben nicht als einmalig
und unvergleichbar erscheinen zu lassen.“ So betreibt man im Sinne eines
Ernst Nolte die Enttabuisierung des Nationalsozialismus.
Gleichzeitig attackierte Knütter stets
antifaschistische Grundhaltungen. So in seinem Buch „Die
Faschismus-Keule“. Er spricht einem Antifaschismus der Linken die
Daseinsberechtigung ab und diffamiert diesen als „politischen
Kampfbegriff“ der Linken. Schon den Begriff „Antifaschismus“ will er
ersetzen durch „Anti-Totalitarismus“, womit er implizit die
Gleichsetzung von links und rechts vollzieht. Hier trifft er sich auch
wieder mit Backes und Jesse, welche fordern: „Schlagworte wie
‚Antifaschismus’ ... im politischen Tageskampf den Extremisten zu
überlassen.“
Professor Knütter geriet mit seinen Positionen nach
und nach in die öffentliche Kritik und die Frankfurter Rundschau
konstatierte in einem Artikel vom 10.November 1993, dass Knütter in
einem seiner Bücher „rechtsextremistische Positionen“ vertrete. Auch
wenn der rechte Professor heute im wissenschaftlichen Abseits steht, so
haben doch seine Positionen im staatlichen Apparat von der
„Bundeszentrale für politische Bildung“ bis hin zum Verfassungsschutz
weiterhin bestand und werden von Autoren wie dem
Verfassungsschutzmitarbeiter Dr. phil Armin Pfahl-Traugber weiterhin in
ähnlicher Form kolportiert. Sie bilden so die Grundlage eines
staatlichen Agierens gegen rechts, dass stets lieber erst mal nach links
schaut.
is / hagalil.com
20-01-02 |