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'Informationsaustausch' in beide Richtungen:
V-Geld fließt zur NPD

Die Zusammenarbeit von NPD und Verfassungsschutz ist vermutlich der wahre Grund für die anhaltende Bagatellisierung rechter Gewalt durch die Innenminister von Bund und Ländern.

Ulla Jelpke

Die V-Leute Affäre im NPD-Verbotsverfahren zieht immer weitere Kreise. Nach dem Auffliegen des V-Manns Wolfgang Frenz, der 36 Jahre auf der Gehaltsliste des VS NRW stand und mit den monatlichen Überweisungen aus dem Landesamt den Aufbau der NPD auch finanziell unterstützte, werden fast täglich weitere V-Leute genannt.

Genannt werden neben dem Bundesschatzmeister, Gesellschafter und Geschäftsführer des NPD-Parteiverlags "Deutsche Stimme", Erwin Kemna, inzwischen auch Udo Holtmann, bis zur Enttarnung NPD-Landesvorsitzender in NRW und vom Bundesamt für Verfassungsschutz geführt, sowie die beiden "Nachwuchsfunktionäre" Thorsten Crämer und Nico Wedding.

Holtmann gehört der NPD seit 1967 an und war Leiter des äußerst brutalen NPD-Ordnerdienstes. Er kandidiert auf Platz 2 der NPD-Landesliste NRW zu den Bundestagswahlen 2002, hinter dem Parteivorsitzenden Voigt. Crämer und Wedding wurden letztes Jahr vom Landgericht Wuppertal wegen eines brutalen Angriffs auf eine Gedenkkundgebung an einem KZ-Mahnmal verurteilt. Der Angriff in Wuppertal ist in den Klageschriften von Bundestag, Bundesrat und Bundesregierung als Beleg für die Gewalttätigkeit der NPD aufgeführt. Wedding wurde auf dem NPD-Landesparteitag im September 2001 als Delegierter in den Bundeshauptausschuß der NPD gewählt.

Neben diesen enttarnten VS-Spitzeln arbeiten noch viele andere. Die Süddeutsche Zeitung schätzt ihre Zahl auf etwa einhundert. In den Verbotsanträgen von Bundesrat, Bundestag und Bundesregierung werden laut "Die Welt" 126 sogenannte "Behördenzeugnisse" als Beleg genannt. Die meisten davon sind Spitzelberichte.

All das zeigt: Die Verfassungsschutzämter von Bund und Ländern führen seit Jahren zahlreiche V-Leute in der NPD und deren Umfeld. Was vermutlich als Kumpanei ehemaliger Wehrmachtssoldaten begann - der eine beim VS, der andere bei der NPD, man kennt und schätzt sich weiter - ist seitdem zu einer staatlich verfestigten Struktur der Zusammenarbeit geworden. Diese Zusammenarbeit ist vermutlich auch der wahre Grund für die anhaltende Bagatellisierung rechter Gewalt durch die Innenminister von Bund und Ländern.

Diese Zusammenarbeit ist jetzt - teilweise - aufgeflogen. Die SPD ist empört, daß die CDU/CSU nach der berechtigten Entscheidung des Verfassungsgerichts, die mündlichen Verhandlungen zu vertagen, nun ihre Verbindungen zu den Diensten nutzt, um aus Wahlkampfgründen weitere V-Leute auffliegen zu lassen. Schily ist sauer, weil er von dieser Seite nicht mit einem Angriff auf die schlampige Arbeit der Dienste und seines Ministeriums gerechnet hatte. Ich wage die Prognose: CDU und CSU werden bald wieder zurück rudern. Denn wenn es um Geheimdienste geht, halten SPD und CDU/CSU in der Regel wie Pech und Schwefel zusammen. Erst kürzlich haben beide gemeinsam mit den Grünen Schilys Anti-Terror-Paket verabschiedet und so den Diensten noch mehr Geld und Macht verschafft.

Ist das NPD-Verbotsverfahren damit in Gefahr? Möglicherweise. Aber umstritten war das Verfahren schon immer. Schon in der Vorbereitung der Verbotsanträge haben wir das damals vorgelegte Material der Geheimdienste kritisiert. Die Belege für die aggressive Gewalttätigkeit der NPD - Stichwort Angstzonen oder (im Nazi-Jargon) "national befreite Zonen" - waren von Anfang an mehr als dürftig. Die PDS-Fraktion hat damals zwei Studien vorgelegt, die aus öffentlichen Quellen, vor allem von örtlichen Antifa-Bündnissen, die Aggressivität und Gewalt der NPD besser dokumentierten als alle VS-Ämter in Bund und Ländern zusammen.

Das Problem war schon damals, daß das NPD-Verbotsverfahren zum symbolischen Rest des "Aufstands der Anständigen" wurde, während die staatlichen Stellen wieder zur Bagatellisierung rechter Gewalt zurück kehrten.

Nun ist das Verfahren in Gefahr. Die Nazis frohlocken. Alle Gegner des Verbotsverfahrens fühlen sich ermutigt. Flüchtlinge dagegen, MigrantInnen, Obdachlose, AntifaschistInnen und AntirassistInnen sind vor den Kopf geschlagen.

Drei Konsequenzen müssen jetzt gezogen werden.

Erstens muß Schily, müssen die Innenminister von Bund und Ländern und die von ihnen geführten VS-Ämter alle Fakten auf den Tisch legen. Das gesamte Netz der V-Leute in der NPD muß aufgedeckt werden. Die NPD ist von V-Leuten durchsetzt, ist von Anfang an von Spitzeln mit aufgebaut worden. Wie viele Propagandadelikte, wie viele Gewalttaten haben diese Spitzel begangen, wie viele Straftaten an führender Position in der NPD selbst veranlaßt? Die Konsequenz muß ein gesetzliches Verbot des Einsatzes von V-Leuten sein.

Zweitens müssen die Klageschriften überarbeitet werden. Quellen und Belege, die auf V-Leute zurück gehen, sind zu streichen. Gründe für ein NPD-Verbot gibt es auch ohne diese dubiosen Zeugen genug. Das Verfahren muß so schnell wie möglich weiter gehen.

Drittens hat der Skandal erneut gezeigt, wie unnütz, wie direkt schädlich Geheimdienste für den Kampf gegen Rechtsextremismus sind. Geheimdienste beeinträchtigen Bürgerrechte, arbeiten mit Neonazis zusammen und täuschen und betrügen - selbst das Bundesverfassungsgericht. Jede öffentliche Beobachtungsstelle gegen Neonazis ist hundertmal besser. Geheimdienste dagegen sind eine Gefahr für die demokratische Ordnung. Sie gehören aufgelöst.

Ulla Jelpke ist innenpolitische Sprecherin der PDS-Bundestagsfraktion

hagalil.com 29-02-02

 


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