Immer schön pädagogisch sein und nur
keinem wehtun: Das Grips Theater zeigt ein Stück über den guten Kerl,
der in jedem Rechtsradikalen steckt - für Menschen ab 15
Frische kleine Nazis
Da hat sich das Grips-Team aber was vorgenommen. Ein
Jugendstück über Neonazis, über rechte Gewalt und ihre Konsequenzen,
über Täter und Opfer. Authentisch soll es sein, sozialkritisch und
glaubwürdig, pädagogisch wertvoll und spannend.
Wie geht man da ran, wen spricht man da an? Na, erst mal
recherchieren. Anderthalb Jahre trieben sich Autor und Dramaturg in der
rechten Szene herum, redeten mit Sozialarbeitern, Richtern und
Jugendlichen, fuhren über die Dörfer in Brandenburg und Polen, schauten
in die Gewahrsamszellen der Polizei. Dann bauten sie ein Stück zusammen,
in dem drei Stellvertreter drei Seiten der Medaille beleuchten dürfen.
Immer getreu dem Motto: Es kann ja keiner was dafür.
Rudi (Frank Engelhard) ist der noch frische kleine Nazi,
der Spaß hat am Großquatschen und den Sprüchen seines Meisters auf den
Leim gegangen ist. Aus seinem Mund quellen nur Drecksworte, aber
eigentlich ist er doch ein guter Kerl. Der meint das gar nicht so, der
weiß überhaupt nicht, wovon er spricht. Wann war das doch, als die Polen
Deutschland angegriffen haben? 38 oder 39? Jan weiß es. Jan (Markus
Friedmann) kommt aus Polen. In Deutschland repariert der Kfz-Mechaniker
Autos für billig, billig, billig und die paar Kröten, die er verdient,
schickt er nach Hause. Er hat auch den Potsdamer Platz mitgebaut - "drei
Mark die Stunde!" -, aber verdient hat daran nur sein Chef, ein
Deutscher, na klar.
Erich (Jörg Westphal) ist Polizist und schließlich auch
nur ein Mensch. Im Nachtdienst ist er ganz allein auf der Wache,
ausgerechnet heute müssen Rudi und seine Kumpel so einen Ärger machen
und und Polen zusammenschlagen. So viele Zellen hat Erich gar nicht.
Also müssen der Pole und der Skin gemeinsam eingebuchtet werden. Die
rechten Parolen findet der Provinzpolizist ganz in Ordnung, aber
Totschlag? Das geht zu weit.
Das Autorenteam nennt sich Monoblock und will aus Angst
vor Angriffen von rechts anonym bleiben. Mit den Protagonisten hat es
nur drei Säulen geschaffen. Das theatrale Modell aber, welches sie
tragen müssten, fehlt. Da ist kein dichtes lebendiges Netzwerk aus
Aktion, Emotion und Position, sondern nur eine Vorlage, die sich zum
sturen Durchspielen vom bösen Anfang bis zum bitteren Ende anbietet.
Trotzdem ist das nicht langweilig anzuschauen. Die
Darsteller saugen dankbar Spielfreude aus kleinen Szenen, die sich vom
ideologischen Schlagabtausch lösen, und Regisseur Frank Panhans lässt
sie im Rotlicht rappen.
Das Grips Theater möchte mit dieser Produktion wieder
niemanden richtig wehtun. Alle Beteiligten sollen am runden Tisch Platz
nehmen und jedem wird noch das Stühlchen hinterhergetragen, auf das er
sich setzen soll.
REGINE BRUCKMANN
14.-17. 11. in der Schiller Theater Werkstatt, Bismarckstraße 110
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