Nazis mobilisieren
gegen den Krieg
Deutsche
Einheitsfront?
Verwirrt waren wohl vor allem die
Berliner Polizeibeamten, als während einer „Mahnwache“ gegen die
Militäraktionen der USA,
welche die NPD am
vergangenen Montag vor dem Berliner Bahnhof Friedrichstraße
veranstaltete, sowohl die Rechtsextremen und auch linke
Gegendemonstranten unabhängig voneinander die Parole „Hoch die
internationale Solidarität“ skandierten.
Seit den Terrorattentaten in den USA
bemühen sich deutsche Nazis mit Anti-Imperialismus-Parolen Einfluss auf
die deutsche Friedensbewegung und linke bis linksradikale Gruppen zu
bekommen. „USA- internationale Völkermordzentrale“ rufen kurzgeschorene
junge Männer und marschieren unter der Führung des Alt-68er Horst Mahler
in Richtung des Axel-Springer-Hauses in Berlin. Für die
Friedensdemonstration eines breiten Spektrums linker Gruppen am 13.
Oktober kündigte die NPD ebenfalls ihr Erscheinen an.
Dabei sind diese Umarmungsversuche
von rechts außen den Friedengruppen selbstverständlich unangenehm, von
Seiten der Nazis stellen sie aber mehr dar als nur ein taktisches
Manöver.
Schon in den letzten Jahren war die
„Solidarität mit Palästina“ den Rechten ein wichtiges Thema geworden.
Sie können so nicht nur ihrem Antisemitismus freien Lauf lassen, ohne
explizit gegen Jüdinnen und Juden zu polemisieren, der Einsatz für
„unterdrückte Völker“ gehört zum Standardrepertoire der Rechtsextremen
in der NPD und den „Freien Kameradschaften“.
Unter dem ideologischen Deckmantel
des „Befreiungsnationalismus“ solidarisierten sich Nazis bereits in den
80er Jahren mit nationalen Befreiungsbewegungen und verübten
anti-amerikanische Anschläge in Deutschland. Heute gelten die USA als
die Verkörperung eines globalen Kapitalismus und als Hort des
„internationalen Finanzkapitals“.
Wenn Horst Mahler heute versucht
rechtsextreme und linksradikale Inhalte in einer gemeinsamen Kritik am
herrschenden „System“ zu vereinigen, so zeigt sich immer wieder sein
schlecht verhohlener Antisemitismus.
Während einer Pressekonferenz in der Köpenicker Parteizentrale
der NPD fabulierte Mahler von einer „judäo-amerikanischen
Besatzungsmacht“ im Nahen Osten und brachte unterschwellig den
israelischen Geheimdienst Mossad als Drahtzieher mit den Anschlägen in
den USA in Verbindung.
Die ideologische Nähe der
Rechtsextremen zur Linken sollte Letzterer zu denken geben. So versuchte
die „Neue Linke“ nach 1968 sich stets mit Ethnien zu solidarisieren,
welche als Verlierer einer westlichen Moderne dastanden, die ihre Werte
und Produktionsbedingungen für universell erklärte und sie bis in den
letzten Winkel der Erde zu exportieren suchte. In diesem Bemühen sich
mit den „Schwachen“ gemein zu machen waren linke Gruppen nie besonders
wählerisch.
So wurde geflissentlich über den
Antisemitismus in den Reihen der PLO, aber auch der kurdischen PKK
hinweggesehen. Breit wurden Symbole der ersten palästinensischen
Intifada von deutschen Linken adaptiert und auf Plakaten auch schon
einmal der Boykott Israels gefordert. Der als Anti-Zionismus getarnte
Antisemitismus ist in der deutschen Linken tief verwurzelt, auch wenn er
seit Beginn der 90er Jahre zunehmend kritisiert und isoliert wurde. Mit
Beginn der sogenannten Al-Aksa-Intifada
scheint der Anti-Zionismus jedoch eine erneute Konjunktur zur
erleben. Eine linke Kritik, welche sich immer noch an Kategorien wie
Volk und Nation orientiert und daraus ihr solidarisches Verhalten
ableitet wird sich von derlei auch nicht endgültig lösen können.
Ähnlich düster sieht die linke Sicht
in Bezug auf die USA aus. Im linken Mainstreamdiskurs stehen die
Vereinigten Staaten als personifizierter Kapitalismus, den es abzulehnen
gilt. Als ob sich die blinden Gesetze weltweiter Vergesellschaftung an
Nationen oder gar Einzelpersonen erklären ließen, so suchen Linke immer
wieder – und nur an diesem Punkt in der Motivation geeint mit der
Rechten – nach einfachen Erklärungen und Bildern. So müssen die USA
immer wieder als „Hort des Bösen“ herhalten. Sicherlich sind sie als
weltgrößte Industrie- und Militärmacht nicht unschuldig an Ausbeutung
und Unterdrückung, aber sie stehen damit nicht alleine und der linke
Anti-Amerikanismus zielt eben weit am Problem vorbei.
Auch wenn sicherlich keine Gefahr
der direkten Einflussnahme von Rechtsextremen auf die Friedensbewegung
zu befürchten ist, so sollte die Nähe, welche auf der Oberfläche zu
existieren scheint, vor allem den deutschen Friedensaktivisten zu denken
geben. Wer stets als Antikapitalismus verpackt nur Globalisierung,
Finanzmärkte und floatierendes Kapital kritisiert bleibt in seiner
Kritik auf der Hälfte stehen und bietet ein großes Einfallstor nach
rechts außen. Wer nach einem kurzen Entsetzen, im nächsten Moment die
Attentate in New York und Washington in Relation setzt zu einer
ungerechten Weltwirtschaftsordnung und die Dimension des Terrors so
verharmlost, wie das Antifaschistische Infoblatt in seiner neuesten
Ausgabe, der entfernt sich gefährlich von emanzipatorischen und
humanistischen Idealen für die eine Linke letztlich stehen sollte.
IS / hagalil.com
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