Neubrandenburg:
Knüppel und Wasserwerfer gegen
Demonstranten Von Fanny Komaritzan
(aus: junge Welt 16.06.2001)
Mit brutalem Einsatz von Schlagstöcken und
Wasserwerfern räumte die Polizei am Samstag in Neubrandenburg rund 1.500
protestierende Menschen von der Straße und machte den Weg für einen
Neonaziaufmarsch frei. Mindestens zwölf Demonstranten wurden dabei
verletzt, zwei so schwer, dass sie ins städtische Klinikum gebracht
werden mussten.
Nach Angaben der Polizeidirektion Neubrandenburg
wurden 44 Teilnehmer des Protestes festgenommen. Zwei Polizisten waren
leicht verletzt worden. Etwa 100 Neonazis vor allem aus Mecklenburg-
Vorpommern, Hamburg, Berlin und Brandenburg hatten sich Samstag Mittag
am Rande der Neubrandenburger Innenstadt versammelt. Rund 1 500 Menschen
waren dem Aufruf eines Bündnisses von Bürgerinitiativen, Gewerkschaften,
SPD und PDS gefolgt und in der Nähe zusammengekommen, um gegen den vom
»Kameradschaftsbund Insel Usedom« angemeldeten Aufzug zu demonstrieren.
Die Gegendemo war von den Landtagsabgeordneten Klaus
Schier (SPD) und Torsten Koplin (PDS) angemeldet worden, nachdem das
Verbot des Neonaziaufmarsches durch die Stadt Neubrandenburg vom
Oberverwaltungsgericht Greifswald aufgehoben worden war. Die
Polizei war nach eigenen Angaben mit rund 600 Beamten aus
Mecklenburg-Vorpommern im Einsatz. Die zum größten Teil sehr jungen
Gegendemonstranten - unter ihnen aber auch Landtagspräsident Hinrich
Kuessner, Justizminister Erwin Sellering (beide SPD) und Neubrandenburgs
Oberbürgermeister Gerd zu Jeddeloh (parteilos) - hatten sich
friedlich auf der ihnen zugewiesenen Route in Gang gesetzt.
An einer Straßenkreuzung stoppte ein Teil - nach
Polizeiangaben »gut 500 gewaltbereite Personen« - den Weiterzug, um den
Aufzug der Neonazis zu verhindern. Die Polizei forderte die Räumung der
Straße. Nach ihrer Darstellung seien die Beamten von Gegendemonstranten
mit Steinen und Flaschen beworfen worden. Die Einsatzkräfte hätten die
Versammlung »nach fast zwei Stunden intensiver Verhandlungen und
Bemühungen, die angespannte Lage zu deeskalieren« aufgelöst und
Wasserwerfer eingesetzt.
»Die Provokation, dieses Gewaltpotential ging nicht
von den Demonstranten aus«, erklärte dagegen Torsten Koplin gegenüber
junge Welt. Etwa 250 Protestierende hätten an der Kreuzung gestoppt.
Zuvor habe die Polizei den Demonstrationszug von der geplanten Route weg
auf die andere Straßenseite und damit näher an den Versammlungsort der
Neonazis geführt. Nach knapp einer Stunde habe die Polizei Wasserwerfer
aufgefahren. »Allein durch den Anblick dieser schweren Technik und der
gepanzerten Fahrzeuge waren die Leute auf hundertachtzig.«
Es habe Beschimpfungen gegeben, aber keine Steine.
Mit Wasser gefüllte Luftballons, Eier und leere Flaschen seien geflogen,
als sich die Wasserwerfer formiert hätten. Erst als deren Hubrichtungen
hochgefahren wurden, flogen auch Steine. Das »Brisante und Verwerfliche«
sei gewesen, so Koplin, daß den Menschen, die ausweichen wollten, der
Weg durch Polizeiketten versperrt war: »Die Leute waren eingekesselt.
Von vorne das Wasser, von hinten die Polizei mit Schlagstöcken.« Auf die
Menschen sei »eingeprügelt« worden - »schlimm, richtig brutal«. Den
Neonazis sei der Weg »freigeprügelt« worden. Andere
Demonstrationsteilnehmer bestätigten dies gegenüber jW.
Der »unverhältnismäßige Polizeieinsatz« müsse
Konsequenzen haben, forderte der SPD- Landtagsabgeordnete Schier. Es
könne »nicht sein, dass gegen zurückweichende Demonstranten, darunter
viele Frauen und Kinder, Wasserwerfer und Knüppel angewendet werden«.
Schier hatte noch während des Einsatzes den Rücktritt von
Landesinnenminister Gottfried Timm (SPD) gefordert. Die PDS werde eine
Sondersitzung des Innenausschusses beantragen, so Koplin. Timm wies die
Rücktrittsforderung zurück und verteidigte den Polizeieinsatz. Es sei
»nötig, dass das Gewaltmonopol beim Staat bleibt und nicht bei den
Chaoten auf der Straße«. Er kündigte angesichts der Vorwürfe eine
Untersuchung im Rahmen der »normalen Nachbereitung des Einsatzes« an.
Der Minister bedauerte, dass durch die linken
Gewalttäter »die Rechtsradikalen gestärkt« worden wären. Die Neonazis
waren nach der Räumung der Straßen unter starkem Polizeischutz und
Protesten zahlreicher Bürger am Straßenrand durch die Südstadt gezogen.
Sie skandierten dabei nationalistische Parolen und führten Transparente
mit antisemitischen Aufschriften mit.
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18.07.2001 |