Wider die Logik des Gegenschlages
Terrorismus ist kein Kriegsfall
Die terroristischen Anschläge vom 11. September,
denen in New York und Washington D.C. viele tausend Menschen zum Opfer
fielen, schockiert und erschüttert. Kein politisches Ziel kann für sich
beanspruchen, für seine Durchsetzung den Tod unschuldiger Menschen nicht
nur in Kauf zu nehmen, sondern als symbolischen Zweck bewusst
einzuplanen.
Trotz des unvorstellbaren Leides der Opfer sowie ihrer
Angehörigen und trotz der Kaltblütigkeit mit der diese Anschläge
durchgeführt wurden, ist es notwendig festzuhalten: Das ist kein Krieg.
Das Etikett "Krieg", mit dem seit Dienstag allzu leichtfertig
argumentiert wird, lenkt ab von der Fragwürdigkeit blinder militärischer
Vergeltungsschläge, die aus überwiegend symbolischen und
innenpolitischen Gründen forciert werden. Die Entscheidung des
Nato-Rates, den Verteidigungsfall festzustellen, hat verdeutlicht, dass
die US-Regierung und die anderen Nato-Staaten dennoch diesen Weg gehen
wollen: Auf die unfassbaren Anschläge in New York und Washington soll
militärisch reagiert werden.
Es kommt jetzt jedoch darauf an, aus den
terroristischen Anschlägen keinen Krieg zu machen. Die Rhetorik vom
Krieg und die Politik des Gegenschlages, der militärischen Vergeltung
spielt in leichtfertiger Weise mit der Gefahr eines tatsächlichen
Krieges vor allem zwischen dem Westen und den arabischen Staaten. Eine
militärische Vergeltung ist jedoch die definitiv falsche Antwort auf
diese Anschläge. Die wirklich Verantwortlichen werden durch militärische
Schläge aller Erfahrung nach nicht getroffen - wohl aber eine
unschuldige Bevölkerung. Die Gewaltspirale dreht sich weiter. Darüber
hinaus sind mögliche Vergeltungsschläge durch das Völkerrecht nicht
gedeckt - Unrecht würde mit Rechtsbruch beantwortet. Die Anschläge haben
auf dramatische Weise den Bankrott einer militärisch und polizeilich
fixierten Sicherheitspolitik verdeutlicht. Ein Weitergehen in diese
Richtung ist verantwortungslos.
Die eigene Sicherheit zu erhöhen heißt, die sozialen
Ursachen von Terrorismus zu bekämpfen. Gefordert ist eine Politik, die
zumindest in höherem Maße auf Kooperation, Ausgleich und Kompromiss bei
internationalen Konflikten und der Verteilung ökonomischen Reichtums
ausgerichtet ist. Die Stigmatisierung ethnischer oder religiöser Gruppen
verknüpft mit der politischen und medialen Inszenierung von
anti-arabischen Diskursen widerspricht dieser notwendigen neuen Form
einer Sicherheitspolitik des Ausgleichs der Regionen und der Förderung
ziviler Konfliktlösungen. Die Konstruktion der arabischen oder
überwiegend moslemischen Staaten als "Sicherheitsrisiko" leistet
rassistischen Stereotypen Vorschub und führt andererseits zur
Radikalisierung von politischen Konflikten im Nahen und Mittleren Osten.
Im Mittelpunkt einer neuen nicht-militärischen
Sicherheitspolitik muss die Anerkennung der realen Vielgestaltigkeit von
Positionen, politischen Überzeugungen und sozialen Kräften auch in der
arabischen bzw. moslemischen Gesellschaft stehen. Die kompromisslose
Ächtung terroristischer Aktivitäten jedweder Couleur muss sich
verknüpfen mit der Schaffung von wirklichen emanzipatorischen und
sozialen Alternativen zum Terror sowie der Öffnung der westlichen
Staaten für Flüchtlinge und Migration.
Oberstes Ziel humanistischer Politik kann daher nur
die dauerhafte Verhinderung von Gewalt sein. Insbesondere können daher
terroristische Anschläge nicht mit Vergeltungsschlägen beantwortet
werden. Krieg und Militär können deshalb keine sinnvollen Mittel gegen
terroristische Anschläge sein. Vielmehr müssen in allen Regionen der
Welt die Voraussetzungen für ein friedliches Zusammenleben der Menschen
geschaffen werden. Soziale Sicherheit, die Möglichkeit der
demokratischen Teilhabe an den Entscheidungen einer Gesellschaft, die
Freiheit von Unterdrückung und Diskriminierung sind hierfür
entscheidend.
Quelle: partisan net
klick-nach-rechts.de
15.09.2001 |