Die Union spielt die nationale Karte
Bundesweite Schill-Partei?
Der Rechtspopulist der CDU, Roland Koch fordert die Behandlung
der „nationalen Frage“ als Thema bei der nächsten Bundestagswahl
ein. Weiter forderte Koch, dass „Schülerinnen und Schüler Respekt vor
unserer Fahne haben“ und das „Deutschlandlied“ singen können. Mit dem
Versuch der weiteren Nationalisierung der CDU steht der hessische
Ministerpräsident durchaus nicht allein.
Unterstützung bekam Koch von Parteichefin Angela Merkel und dem
Fraktionsvorsitzenden Friedrich Merz. Denn wenn die Mobilisierung des
Völkischen der Partei in einem Wahlkampf zur Regierungsmehrheit in
Hessen verhalf, warum sollte es nicht auch in einem Bundestagswahlkampf
voranbringen? Frau Merkel äußerte im Norddeutschen Rundfunk, die
„nationale Identität“ sei kein rechtes Thema, sondern es würde "die
Menschen interessieren".
So unrecht die konservative Parteichefin mit dem ersten Teil ihrer
Aussage hat, dem zweiten Teil ist, leider, durchaus zuzustimmen.
Betrachtet man nur zwei Gelegenheiten, in denen Nationalismus
mobilisiert wurde, um gesellschaftliche Mehrheiten zu erlangen, so
widerlegt sich Merkels erste Aussage fast von selbst. Die CDU-Kampagne
gegen die doppelte Staatsbürgerschaft zog massive Angriffe gegen
Menschen mit einer anderen Hautfarbe nach sich. Rechtsextreme aller
Lager unterstützten inhaltlich die Union und kritisierten allenfalls
deren mangelnde Radikalität. Die faktische Abschaffung des Grundrechts
auf Asyl mobilisierte zu Beginn der 90er Jahre bundesweit einen
völkischen deutschen Mob, der
durchaus nicht nur aus Skinheads oder organisierten Nazis bestand. Die
pogromartigen Zustände von Rostock, Mannheim, Hoyerswerda und anderswo
zeigen, welche Gewalt in ansonsten verdrucksten autoritären Charakteren
steckt, die dort randalierten.
Sollte sich das Vorhaben, Nationalismus zum Wahlkampfthema zu machen,
durchsetzen, so könnten sich Koch, Merkel und Merz eigentlich schon
jetzt die Betroffenheitspredigten für die Opfer solcher Politik
schreiben lassen. Dabei spielt es kaum eine Rolle, ob die nationale
Karte in Form einer neuen „Leitkultur“-Debatte oder als
Zuwanderungsdiskurs gespielt wird. Die CDU plant die Benutzung einer
völkischen Mobilisierung zur Machterlangung und sie wählt diesen Weg
nicht aus mangelndem Profil in Sachthemen, sondern aus Überzeugung.
Anders als mit dem Wort verbrecherisch lässt sich derartige Politik
nicht umschreiben.
Die rechtsextremen und antisemitischen Einstellungsmuster eines nicht
geringen Teils der deutschen Bevölkerung sind aus
sozialwissenschaftlichen Studien bekannt. Hier nur zur Wiederholung: 13%
der Deutschen besitzen ein geschlossenes rechtsextremes Weltbild und 15%
haben latente antisemitische Einstellungsmuster. Wie Paul Spiegel
unlängst sehr richtig feststellte, sind diese Haltungen ein Problem der
deutschen Mehrheitsgesellschaft und nicht ihrer Minoritäten. Wenn der
Nationalismus oder Rassismus als Wahlkampfhilfe benutzt wird, so werden
jene autoritär strukturierten Deutschen angesprochen und fühlen sich von
Autoritäten dazu berufen, ihre kaum unterdrückten sadistischen
Aggressionen auszuleben.
Nationalismus konstruiert die in-group, das Volks-Kollektiv, derer es
bedarf um eine Fremdgruppe zu schaffen. Die Position jener Außengruppe
kann wechselweise Asylsuchenden, Migrantinnen oder Juden zugeschoben
werden. In ihrem wahnhaften Realitätsverlust projizieren die Autoritären
ihre eigenen, verdrängten Sehnsüchte und Bestrebungen auf die
Fremdgruppe. So werden Flüchtlinge zu Sozialhilfebetrügern, die sich auf
Kosten der „Deutschen“ ein gutes Leben machen. Oder Jüdinnen und
Juden werden zur omnipotenten Macht, die hinter den Kulissen die
Fäden zieht phantasiert. „Die eigenen, ihm unakzeptabel erscheinenden
Triebe (projizieren die autoritären Individuen, IS) auf andere, um diese
dann verurteilen zu können“ (Adorno, Studien zum autoritären Charakter).
Dass diese Projektion und die ihr nachfolgende Aggression aus einem
inneren Zwang heraus geschieht, erklärt zwar diese Mechanismen,
entschuldigt sie dennoch nicht.
Es ist jedoch genau jener Mechanismus der Dialektik aus Ohnmacht,
gegenüber vermeintlich Mächtigen denen sich untergeordnet wird, und
autoritär-sadistischer Aggression, der in Kampagnen wie der hier
geplanten angesprochen wird. Der autoritär-patriarchale Charakter, in
Wahrheit schwächlich und masochistisch die Macht verehrend, versucht‚
von ‚oben’ legitimiert in derlei Konstellationen mit Brutalität seine
nichtvorhandene Macht gegenüber den real oder vermeintlich
gesellschaftliche Schwächeren zu beweisen.
Dieser nicht individuellen, sondern durchaus sehr gesellschaftlichen,
Problematik der modernen bürgerlichen Gesellschaft sollte sich an einem
Punkt wo die konservative CDU versucht, unbewusst oder bewusst damit
spielend, entgegengestellt werden. Kann die völkische Mobilisierung
nicht bereits im Vorfeld gestoppt werden, so sind die erneuten Opfer
bereits vorprogrammiert.
IS/klick-nach-rechts.de
11.09.2001 |