27.07.2000
SPRENGSTOFFANSCHLAG
IN DÜSSELDORF
S-Bahnhof Wehrhahn, Düsseldorf-Flingern,
27. Juli 2000, 15.05 Uhr. Eine Sprengladung detoniert als Teilnehmer
eines Deutsch-Kurses den Fußgängerübergang passieren. Sechs der zehn,
zum Teil schwer verletzten, sind Juden aus der GUS,
so genannte Kontingentflüchtlinge.
Erst im Juni 2001, fast ein Jahr nach dem
Anschlag, konnten die beiden Schwerstverletzten
aus dem Krankenhaus entlassen werden. Sie bleiben weiterhin in
Behandlung. Tatjana L. wurde fast ein Bein abgerissen, ihr ungeborenes
Baby starb im Mutterleib. Ihrem Ehemann riss ein Bombensplitter die
Bauchdecke auf.
Vor einem Jahr war es nicht so heiß wie
heute. Es hat viel geregnet. Der Tatort blieb erst mal ein paar Tage im
Regen. Ich erinnere mich an eine Meldung in der Tagesschau - eine ganze
Woche nach dem Anschlag: "Die Spurensuche am Tatort wird wieder
aufgenommen". Eine Woche lang hatte es strömend geregnet. Mit Planen
abgedeckt hat den Tatort keiner. Vielleicht auch dies ein Grund dafür,
dass kaum verwertbare Spuren gefunden wurden?
Eine brauchbare Spur gibt es bis heute
nicht. Der Anschlag blieb unaufgeklärt, genauso wie die
Sprengstoffanschläge auf das Grab Heinz Galinskis und viele weitere
Fälle antisemitischer Gewalt in Deutschland.
Opfer rechter Gewalt
hatte es schon hunderte gegeben im "neuen Deutschland". Aber diesmal war
Sommer. Man hatte gerade nichts besseres zu tun. Die Opfer waren keine
gelben oder schwarzen Asylbewerber, nicht einfach Behinderte, Schwule,
Linke, Obdachlose, Italiener, Kroaten, Inder oder Kinder. Die Opfer
waren Juden - und die Weltöffentlichkeit hatte es mitbekommen. Der gute
Ruf Deutschlands schien in Gefahr. Der Aufstand der Anständigen wurde
ausgerufen.
Die Bühne war
bereitet, das Sommerloch gestopft, der Kampf gegen Rechts als Event.
Prominenz gibt sich betroffen. Schick ist gegen rechts, Mick ist gegen
Rechts. Siemens gegen Rechts und Springer sowieso.
Die Bundesregierung
verspricht Unterstützung. Schaumschläger und Trittbrettfahrer wittern
schnelle Beute. Xenos zieht durchs Land, Bündnisse entstehen. Gegen
Rechts wird getanzt, geredet und gesoffen, gekifft und gemalt, getorkelt
und gelallt. Schüler schreiben Aufsätze und bekommen einen Preis. Für
Demokratie, für Toleranz. Erinnerung, Miteinander.
Zivilcourage ist
gefragt, Mord ist nicht erlaubt, Hetze nicht ganz fein. Stiftungen
kommen groß heraus, Udo singt und Herta lacht, die Gelder fließen und
die Verwaltungen sprießen.
Hotlines, Galas, Parties. München gegen Rechts, Vilsbiburg gegen Rechts,
DeGuSSA gegen Rechts, Deutsche Bank sowieso. Leitkultur gegen Rechts,
Provider gegen Rechts, Gmelin gegen Rechts, Krupp gegen Rechts. Däubler
gegen Rechts, Plakate gegen Rechts, Farben gegen Rechts. Konferenzen,
Selbstkontrolle, Wertkonsens.
So klingt's seit einem
Jahr, die Sonne scheint, der Himmel lacht. Geschlafen gegen Rechts,
geplappert gegen Rechts. Ein Jahr gegen Rechts, Nepp gegen Rechts, Depp
gegen Rechts, nix gegen Rechts.
dg /
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27.07.2001 |