Zwangsarbeiterentschädigung:
Ulla Jelpke dankt denen , die im
Bundestag nicht genannt werden
Wir dokumentieren ein Schreiben der
Bundestagsabgeordneten Ulla Jelpke, in dem sie sich für das Engagement
jener Menschen bedankt, die sich für die Entschädigung der ehemaligen
Zwangsarbeiter und Zwangsarbeiterinnen eingesetzt haben. Es sind jene,
deren Namen im Bundestag sonst nicht genannt werden.
Liebe Freundinnen und Freunde, liebe Mitkämpferinnen
und Mitkämpfer,
endlich hat der Bundestag die im Gesetz verlangte »ausreichende
Rechtssicherheit« für deutsche Unternehmen festgestellt und damit den
Weg frei gemacht für den Beginn der Auszahlungen an die Überlebenden der
NS-Zwangsarbeit. Damit ist ein erstes Etappenziel erreicht. Es ist mir
in diesem Augenblick ein persönliches Bedürfnis, mich bei allen
Freundinnen und Freunden, bei allen Mitkämpferinnen und
Mitkämpfern zu bedanken, ohne deren langen und beharrlichen Einsatz wir
nie so weit gekommen wären.
Ich nenne hier - stellvertretend für viele - Alfred
Hausser und seine MitstreiterInnen in der Interessengemeinschaft
ehemaliger
Zwangsarbeiter unter dem NS-Regime, Kurt Goldstein vom
Auschwitz-Komitee, Ulrich Sander und andere in der VVN, Jochen Vogel und
den Verein gegen das Vergessen, Lothar Evers, Andreas Plake und die
Beratungsstelle für NS-Verfolgte in Köln, Dr. Karl Brozik von der Jewish
Claims Conference, Bartosz Jalowiecki von der polnischen
Partnerstiftung, Jiri Sitler aus der Tschechischen Republik. Manche, die
mir wichtig waren und ohne deren mühevollen, langen Kampf wir nie so
weit gekommen wären, sind inzwischen verstorben, zum Beispiel Hans
Frankenthal, der Auschwitz überlebte, aber wenige
Monate vor Inkrafttreten des Entschädigungsgesetzes verstarb.
60 000 Überlebende sind nach Auskunft der
Opferorganisationen während des monatelangen Gezerres um die
Rechtssicherheit für die Wirtschaft seit Verabschiedung des
Entschädigungsgesetzes verstorben. 200 weitere sterben jeden Tag. Ich
bedanke mich auch bei den vielen Initiativen, zum Beispiel dem Bündnis,
das die Protestaktionen vor dem Haus der deutschen Wirtschaft in Berlin
in den letzten Wochen organisiert hat, bei HistorikerInnen,
Antifa-Gruppen, Gewerkschaften und anderen, die geholfen haben, die
Erinnerung an die Täter und ihre Opfer wieder zu wecken und
Wachzuhalten. Ihnen allen möchte ich persönlich danken. Für ihre Hilfe,
für ihre kritischen Anregungen, für ihre Anregungen und Forderungen auch
an meine parlamentarische Arbeit. Wir haben jetzt gemeinsam ein erstes
Ziel erreicht. Die Zahlungen können beginnen. Vieles bleibt jetzt noch
zu tun.
Alles Geld, auch die Zinsen der Wirtschaft, gehören
den Opfern. Die Antragsfristen für die Opfer müssen verlängert werden,
die Hilfe für sie bei der Nachweisbeschaffung organisiert werden. Wenn
sie keine Belege finden, muss geklärt werden, welche anderen
Möglichkeiten der Glaubhaftmachung für ihr Leid sie haben. Schon jetzt
haben sich mehr Opfer gemeldet, als bei Verabschiedung des Gesetzes
erwartet wurde. Das wirft neue Probleme auf. Für die Überlebenden im
sogenannten »Rest der Welt«, also nichtjüdische Opfer außerhalb
Osteuropas, reicht mit großer Wahrscheinlichkeit der zur Verfügung
gestellte Betrag nicht aus. Dann muss die Entschädigungssumme erhöht
werden.
Trotzdem werden am Ende viele Überlebende vermutlich
überhaupt kein Geld erhalten. Weil sie keine Belege finden und auch
keine Zeugen mehr da sind. Weil sie nicht deportiert wurden, das Gesetz
aber Deportation verlangt, damit überhaupt eine Zahlung erfolgt. Oder
weil sie irgendwo in dem bürokratischen Prozess der Antragstellung,
Nachweisbeschaffung usw. nicht mehr weiterkommen. Ihnen allen schulden
wir es, weiterzukämpfen. Einen Schluss-Strich darf es nicht geben. Weder
finanziell, noch moralisch, noch politisch.
Ulla Jelpke, PDS-Vertreterin im Kuratorium der
Stiftung »Erinnerung,
Verantwortung und Zukunft«
klick-nach-rechts.de
05.06.2001 |