Verbot des Nazi-Netzwerks "Blood&Honour"
wirkungslos
Höhere Gewaltbereitschaft bei Konzerten
Von Heike Kleffner (Berlin)
Der alevitische Kulturverein in Hamburg-
Rothenburgsort war schockiert. Getarnt als "private Geburtstagsfeier"
hatten Hamburger Rechtsextremisten ihre Räume für eines der größten
Rechtsrock- Konzerte seit dem Verbot des militanten Neonazi-Netzwerks
"Blood&Honour" angemietet:
Stunden lang konnten so Anfang Februar rechte Bands
vor rund 600 Skinheads aus dem gesamten Bundesgebiet ihre hasserfüllten
Lieder spielen. Dann erst schritt die Polizei ein. Deren Aufforderung,
den Saal zu räumen, wurde mit "Deutschland den Deutschen"-Parolen
beantwortet, die Beamten mit Stühlen und Bierkrügen angegriffen.
Ginge es nach Bundesinnenminister Otto Schily (SPD),
müssten derartige Bilder von Skinheadkonzerten und Randale eigentlich
der Vergangenheit angehören. Mit dem Verbot von "Blood&Honour"
Deutschland und deren Jugendorganisation "White Youth" im September
vergangenen Jahres sollte der militanten Neonazi- Musikszene ein
entscheidender Schlag zugefügt werden.
Ein Dreivierteljahr später fällt die Bilanz der
Behörden eher zurückhaltend aus. Es sei gelungen, die "Organisation
teilweise zu zerschlagen", die Zahl der rechtsextremen Konzerte sei
erheblich gesunken. Allerdings, räumt man beim brandenburgischen
Verfassungsschutz ein, gebe es nach wie vor konspirative Mobilisierungen
zu Konzerten. Mittels anonymer Handynummern und Schleusungspunkte werden
Besucher über hunderte von Kilometern zu den Austragungsorten gelotst.
Nazis bei Blood&Honour Konzert
Die befinden sich inzwischen häufig in Ländern, wo das
"Blood&Honour"-Netzwerk nicht verboten ist - in Belgien, Frankreich,
Tschechien und der Schweiz. Immer mit dabei: der harte Kern von
"Blood&Honour" Deutschland mitsamt Technik, Bands und Sympathisanten.
So bedankte sich beispielsweise die belgische
Blood&Honour Division explizit bei "B&H Brandenburg" für deren Hilfe bei
der Aus- richtung eines Konzerts im März. "Rechtsrock ist zum
Millionengeschäft geworden," sagen die Experten beim Antifaschistischen
Pressearchiv in Berlin. Da sei es kaum zu erwarten, dass diejenigen, die
bis vor kurzem im "harten Bereich abgesahnt haben", sich einfach
zurückziehen würden. Zumal der Verkauf und Besitz größerer Mengen
indizierter Musiktitel in der Vergangenheit allenfalls mit Bewährungs-
und Geldstrafen geahndet wurde.
Auch Rüdiger Hesse, Sprecher des niedersächsischen
Verfassungsschutzes, bestätigt, dass der Vertrieb extrem antisemitischer
und rassistischer Musik durch das Verbot von "Blood&Honour" keineswegs
zurückgegangen sei. "Die Musik ist längst über den harten Kern der
Neonazi- und Skinheadszene hinaus verbreitet." Manchmal reicht ein neuer
Name, schon läuft das Geschäft mit der rechten Hass-Musik weiter: Etwa
in der brandenburgischen Kleinstadt Werder, wo statt des zentralen
Postfachs von "Blood&Honour" jetzt ein Vertrieb namens "Hate Sounds" als
Bestelladresse für die rechtsextreme Musik fungiert.
Um die Szene auch mit indizierter Material versorgen
zu können, haben ehemalige "Blood&Honour" -Aktivisten anonyme E-Mail-
Adressen eingerichtet. Wer hier verbotene CDs bestellt, erhält wenige
Tage später die Lieferung aus dem Ausland. "Organisationen kann man
verbieten, die Einzelpersonen und ihre Kontakte innerhalb der Szene
nicht", sagt der Chef des brandenburgischen Verfassungsschutzes, Heiner
Weggesin. Dies werde insbesondere in Schleswig-Holstein, Hamburg,
Mecklenburg- Vorpommern und Brandenburg sichtbar, wo seit Jahren enge
Kontakte zwischen "Blood&Honour"-Aktivisten und dem Netzwerk der
militanten Freien Kameradschaften bestehen.
Seit dem Verbot sei die Gewaltbereitschaft bei den
Konzertbesuchern gestiegen. Solange allerdings das
Bundesverwaltungsgericht über die Klage der thüringischen
"Blood&Honour"-Sektion gegen das Verbot nicht entschieden hat, will man
bei den Behörden mit weiteren Schritten abwarten.
- Morddrohungen in Liedform
Mit Rechts-Rock zum Terror
klick-nach-rechts.de
03.05.2001 |