junge welt inland / 17.04.2001
Die Aussteigernummer:
Telefonseelsorge mit dem
Verfassungsschutz
»Hier ist die Aussteigerhotline des Bundesamtes für
Verfassungsschutz, was können wir für Sie tun?«
»Dumpfmann mein Name. Ich möchte gerne aussteigen.
Gestern nacht war ich noch Fidschis klatschen, und vorige Woche ham wir
'ne Kanakenbude abgefackelt. Aber ich hab keinen Bock mehr und außerdem
brauche ich Geld.«
»Na mal sehen, wie wir Ihnen helfen können. Bekleiden
Sie denn eine leitende Funktion in einer illegalen Neonazigruppe?«
»Nee, ich war immer nur dabei, wenn wir den Scheiß-
Ausländern so richtig Dampf gemacht haben.«
»Dann können wir erst mal nichts für Sie tun.
Versuchen Sie doch, sich in den Vorstand der Jungen Nationaldemokraten
hochzuarbeiten oder werden Sie wenigstens Führer einer Kameradschaft.«
»Aber ich wollte doch jetzt aussteigen.«
»Das können Sie ja ruhig. Doch um in den Genuß unseres
Leistungspaketes von neuer Identität bis hin zur finanziellen Starthilfe
und beruflichen Eingliederung zu kommen, müssen Sie schon ein bißchen
Leistung zeigen. Strengen Sie sich mal ein wenig an, Herr Dumpfmann.
Dann kommen wir bestimmt ins Geschäft. Viel Erfolg und tschüß.«
So oder ähnlich könnten ab heute Telefongespräche mit
den Spezialisten des Verfassungsschutzes unter der Nummer 0221/ 79262
verlaufen.
Daß sich das Aussteigerprogramm für Neonazis nur an
Führungskräfte richtet, ist nur allzu verständlich. Schließlich kann man
in einer Leistungsgesellschaft Fördergelder nicht einfach zum Fenster
rausschmeißen, und wer eine Nazi-Horde befehligt hat, eignet sich
perspektivisch auch als Abteilungsleiter oder Chef einer Drückerkolonne.
Auch private Initiative ist jetzt gefragt. Ein »Wer wird Millionär«-
Special für aussteigewillige Neonazis ist angeblich bei RTL schon in
Planung. Wer fachspezifische Fragen nach der besten Menschenrasse
(Schwarze, Arier oder Juden?) und dem Kampfpanzer von Hitlers Armee
(Feldmaus, Tiger oder Grottenolm?) richtig beantwortet, kann dann auch
ohne Verfassungsschutz beruhigt aussteigen.
(balc)
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21.04.2001 |