Entschädigung von NS-Zwangsarbeitern
Deutsche Unternehmen suchen einen Sündenbock
Die us-amerikanische Bundesrichterin Shirley Kram
hat am Mittwoch die Abweisung von Sammelklagen früherer Opfer des NS
gegen deutsche Banken abgelehnt, um die Ansprüche der Betroffenen
abzusichern. Die Reaktionen auf dieses Urteil sind zum Teil an
Eindeutigkeit nicht zu übertreffen.
So äußerte sich der Sprecher der Stiftungsinitiative
Wolfgang Gibowski nach der Bekanntgabe des Urteils enttäuscht und
drohte: "Damit verzögern sich die Auszahlungen weiter." Volker Beck,
rechtspolitischer Sprecher der Bundestags- fraktion der Grünen verstieg
sich gar zu der Forderung, die US-Regierung müsse eingreifen und die
zugesagte Rechtssicherheit für deutsche Firmen durchsetzen. Dezent
übersieht Beck dabei, dass eine solche Einflussnahme dem bürgerlich-
demokratischem Prinzip der Gewaltenteilung widerspricht; zum Schutz der
deutschen Wirtschaft fordert er also quasi diktatorische Maßnahmen. Was
ist jedoch der Grund für diese Aufregung in deutschen Politiker- und
Wirtschafts- kreisen?
Bei der in New York eingereichten Sammelklage über
welche Richterin Kram zu entscheiden hatte geht es um Vermögensverluste,
welche Juden und Jüdinnen während des NS erlitten. Im konkreten Fall
geht es um den Profit, welchen die Commerz-, Deutsche- und Dresdner Bank
aus der Enteignung deportierter Jüdinnen und Juden im Rahmen der
sogenannten Arisierung gezogen haben. In der Sammelklage fordern die
Angehörigen von den Banken Schadensersatz in Milliardenhöhe. Im
laufenden Verfahren gab es ein von der Richterin in Auftrag gegebenes
Gutachten in dem der US-Anwalt Charles A. Stillman darauf hinwies, dass
im Stiftungsgesetz zur Entschädigung von Zwangsarbeitern und anderen
NS-Opfern auch eine Wiedergutmachung von Vermögensschäden vorgesehen
ist. Stillmans Gutachten offenbarte jedoch auch, dass es
Ausschlussregeln im Gesetz gäbe, nach denen bestimmte NS-Opfer trotz
erlittener Vermögensschäden keine Zahlungen erhalten. Der Anwalt
beurteilte die Entschädigungsstiftung als "bestmöglichen Kompromiss".
Bei einer Anhörung am 24. Januar gab ich Richterin
Kram mit den Antworten der Anwälte der beklagten Banken auf ihre ins
Detail gehenden nachfragen nicht nicht zufrieden. Insbesondere die Frage
wann denn der Stiftungsfond in vollem Umfang von zehn Milliarden für
eine Auszahlung zur Verfügung stehen würde konnte nicht beantwortet
werden. Auch bei einem erneuten Termin einen Monat später blieb diese
Frage ungeklärt, so dass die Richterin das bekannte Urteil fällte. Wenn
jetzt Teile der deutschen Wirtschaft, wie BDI-Präsident Michael Rogowski
immer wieder auf die Rechtssicherheit als Voraussetzung für die
Auszahlung der NS-Zwangs- arbeiterentschädigung pochen und die
Bundesrichterin für weitere Verzögerungen verantwortlich machen, so ist
dies nicht nur der Sache falsch.
Zurecht wirft eine Gruppe junger rot-grüner
Parlamentarier dem Stiftungssprecher Wolfgang Gibowski vor, er habe in
einer "beispiellosen Provokationskampagne" die längst überfälligen
Auszahlungen erfolgreich torpediert. Mit seiner Äußerung, die Wirtschaft
behalte sich die Zahlung vor, selbst wenn der Bundestag wie vereinbart
die Rechtssicherheit beschließen würde, habe Gibowski die
Glaubwürdigkeit in die Ernsthaftigkeit der Zahlungsabsichten nachhaltig
erschüttert, so die Parlamentarier. Dies sei eine "offen zur Schau
gestellte Missachtung des deutschen Parlaments mitten in der
Entscheidungsfindung von Richterin Kram" gewesen, heißt es
in dem offenen Brief der Gruppe.
So zeigt es sich, dass es mit der Stiftungsgründung
eher um eine Schluss- Strichziehung unter die deutsche Tätergeschichte
geht, denn um Entschädigung oder um das Übernehmen von Verantwortung.
Für die Opfer des deutschen Judenhasses im Nationalsozialismus gab es
nie auch nur den Anflug einer irgendwie gearteten Rechtssicherheit,
diese existierte allenfalls für die Profiteure des Antisemitismus. Zu
denen gehörten nicht nur die deutschen Banken, Industrien und
Mittelständler, sondern auch ein großer Teil der deutschen Bevölkerung.
IS
/ klick-nach-rechts.de
09.03.2001 |