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Judentum und Israel
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Eine Hetz muss sein?
Jörg Haider lesen und verstehen

Alexander Van der Bellen
Bundessprecher der Grünen in Österreich.

Der Gastkommentar von Jörg Haider in der Presse (17. 3.) ist lesenswert. Wer nämlich bisher Zweifel hatte, ob Passagen in Haiders Reden in Ried oder in Oberlaa antisemitisch waren, hat nun die Gewissheit. Der "Sager" von "Ariels Dreck am Stecken" war laut Haider ein Scherz. Humorlos, wer nicht lacht. Vielleicht ein geschmackloser Scherz, aber kein antisemitischer. Sagt Haider. Und: Er lasse sich nicht verbieten, Ariel Muzicant inhaltlich zu kritisieren. Schließlich habe dieser "einer demokratisch gewählten Regierung den Krieg erklärt".

Damit verwendet Haider unverblümt ein Stereotyp, dessen sich die NSDAP zur Rechtfertigung von Pogromen, später ihres Vernichtungsfeldzugs gegen Juden bedient hatte. Haider greift ungeniert auf eine Behauptung zurück, die bis heute bei Neonazis und Rechtsextremisten aller Spielarten geradezu Kultstatus genießt, wenn es darum geht, Judenverfolgungen oder den Holocaust zu legitimieren: "Die Juden" - ein neuerdings beliebtes Synonym ist "die Ostküste" - hätten den "Krieg" erklärt ... Und im Krieg sei doch quasi alles erlaubt. Aus Notwehr, sozusagen.

Es ist doch an Peinlichkeit nicht zu überbieten, wenn man im Jahr 2001 festhalten muss: Diese stereotypen Behauptungen sind unwahr. Weder hat das "internationale Judentum", oder wie die Nazis sonst zu sagen pflegten, jemals Deutschland den Krieg erklärt, noch hat Muzicant dieses Wort je gegen die österreichische Regierung gerichtet. Muzicant hat allerdings mehrfach die ÖVP-FPÖ-Regierung in bestimmten Punkten kritisiert. Dass das Haider als Kriegserklärung umdeutet, ist nicht neu. Schon letztes Jahr haben er und sein Justizminister oppositionellen Politikern mit den Hochverratsparagraphen des Strafrechts gedroht. Die dabei vorgenommene Gleichsetzung von Regierung und Staat ist kennzeichnend für autoritäres Politik- und Staatsverständnis. Die drei Weisen haben diesen schlicht vordemokratischen Drohgebärden in ihrem Bericht breiten Raum gewidmet.

Haiders autoritäre Fantasien sind nicht neu. Neu ist auch nicht sein Griff in unterste Schubladen. Neu ist, dass er jetzt offen antisemitische Ressentiments schürt. Nicht bloß erklärt der Jud' den Krieg (selber schuld, nun hat er sich die Folgen selbst zuzuschreiben), auch andere Uralt-Klischees werden in Haiders Text bedient: der heimatlose Jude, der Einwanderer (eigentlich kein "echter" Österreicher), und schließlich: Hätt' er seinen Mund nicht aufgemacht, gäb's auch keinen Antisemitismus.

Das alles hat uns der Landeshauptmann von Kärnten zu sagen, das Mitglied des Koalitionsausschusses, der Unterzeichner der Präambel zur Regierungserklärung. - Und was sagen die Abgeordneten des Kärntner Landtags? Zufrieden mit dem Scherzbold des Aschermittwochs? Das mit der ordentlichen Beschäftigungspolitik des Dritten Reiches war nicht in Ordnung, da musste er zurücktreten, aber a bissl a Hetz mit und über und gegen Juden darf sein?

Wo bleibt der Misstrauensantrag von ÖVP und SPÖ im Kärntner Landtag? Mit verbalen Distanzierungen ist es nicht mehr getan!

DER STANDARD
Dienstag, 20. März 2001, Seite 35

 


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