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Judentum und Israel
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Antisemitismus - zielsicher gestreift
Haider spielt im Wiener Wahlkampf mit dem Feuer

Es ist ein schleichendes Gift, in kleiner Dosis zumal, aber es wirkt sehr nachhaltig. Und es ist typisch für Jörg Haiders Art, gezielt zu reden und zu provozieren, ebenso wie für den Umgang der österreichischen Gesellschaft damit.

Also: Haider sagt etwas. In diesem Falle hat er es am Aschermittwoch in einer Bierhalle getan, vor entsprechend gestimmten Anhängern. Der heimliche Chef der österreichischen «Freiheitlichen» (FPÖ) kalauerte und brachte den Präsidenten der Israelitischen Kultusgemeinde, Ariel Muzicant, mit einem Waschmittel zusammen: «Ich verstehe nicht, wie einer, der Ariel heisst, so viel Dreck am Stecken haben kann.»
Bisher war es niemandem gelungen, Haider eine unmittelbar antisemitische Aussage nachzuweisen. Deshalb tun sich die Anwälte der Kultusgemeinde schwer, ihn vor Gericht zu bringen. Haider redet zwischen den Zeilen, arbeitet mit Anspielungen, mit «antisemitischen Codes», die von den Hörern mühelos dechiffriert werden, aber juristisch eben schwer zu fassen sind.

Die Medien spielen mit

Die Beleidigung Muzicants indes schien endlich als Antisemitismus greifbar. Entsprechend empört reagierten Medien und Opposition. Damit gelangte Haiders Aussage jeden Tag neu in die Medien, bis jeder im Land sie kannte. Dann meldete sich der Kärntner Regierungschef wieder: Natürlich habe er es nicht antisemitisch gemeint, er habe bloss die «guten Kontakte» Muzicants zu Wiens SPÖ-Bürgermeister Michael Häupl aufzeigen wollen, die dem Gross-Immobilienmakler Muzicant etliche Vergünstigungen eingetragen habe: «Daher ist der Name Ariel nicht in Ordnung, denn der ist mit Sauberkeit verbunden.» Schon ist die Sache wieder in allen Medien. Als das abklingt, häufen sich die Anfragen an den Bundeskanzler, warum er zu den - natürlich erneut zitierten - Sprüchen schweige.
Dann, lange neun Tage später, distanziert sich Kanzler und Koalitionspartner Wolfgang Schüssel (ÖVP): «Scherze mit Namen darf es nicht geben, nicht einmal ein angedeutetes Spiel mit Emotionen, was Antisemitismus, Rassismus und Fremdenfeindlichkeit betrifft.» Das wollen die Medien, eines nach dem anderen, jeden Tag erneut hören, verdeutlicht haben - aber weil Schüssel nicht mitspielt, kocht die Affäre weiter: Warum er denn ausweiche? Er müsse doch als Chef einer Koalitionsregierung...
Selbstverständlich wehrt sich auch Muzicant. Er gehört ebenfalls nicht zu den Zartbesaiteten, ist ausserdem von mehreren Seiten in die Defensive geraten, weil er als Einziger den Vertrag über die Restitution arisierter Güter und die Entschädigung von NS-Opfern nicht unterzeichnet hat. Mit diesem vor wenigen Wochen in Washington erreichten Abkommen will Österreich - ähnlich wie gegenüber den Zwangsarbeitern - eine Art Schlussstrich ziehen.
Muzicant indes widersetzte sich dem seiner Meinung nach ungenügenden Kompromiss, hat damit einen heftigen Streit in der jüdischen Gemeinde entfesselt, den Kanzler verärgert - und den bösen Satz gesprochen, Teile der Regierung wollten die jüdische Gemeinde «liquidieren».

Klischee wird zum Selbstläufer

In der rechten Szene sowie beim Boulevard hat Muzicant damit das Klischee vom «geldgierigen Juden» wieder aufleben lassen - ein Stereotyp, das ein mit Stimmungen virtuos spielender Haider nur anzutippen braucht: Es wird sofort zum Selbstläufer, und die Gesinnungsgenossen nicken sich verständnisvoll zu: «Der Haider, der traut sich wenigstens was.» Haider hat nebenbei noch ein anderes Klischee bedient: Sein «Hinweis» auf angebliche Verbindungen zwischen Muzicant und Bürgermeister Häupl läuft auf der Schiene «Juden-Linke-Spekulanten». Es ist Wahlkampf in Wien - und Haider weiss genau, womit er Stimmen anzieht.

Von Paul Kreiner, Wien

© 2001 National Zeitung und Basler Nachrichten AG

 


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