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Neue Studie der Uni Marburg über Rechtsextremismus:
Rechte Cliquen - normal?

Von Stephan Börnecke

Cliquen rechtsorientierter Jugendlicher scheinen nicht nur in Deutschlands Osten, sondern auch im Westen zunehmend zur Normalität zu gehören. Davon geht eine Studie aus, die jetzt an der Philipps-Universität Marburg erarbeitet.

SCHMITTEN. Noch in den achtziger Jahren hätten solche Gruppen den Charakter von "Outlaws", von Leuten außerhalb der Gesellschaft gehabt, inzwischen seien sie weit verbreitet, sagte der Marburger Wissenschaftler Benno Hafeneger in Schmitten. Die Jugendlichen, die in solchen Verbünden aufwachsen würden, erlebten ihr Erwachsenwerden unter der ständigen Begleitung von Alkohol, Zigaretten und rechter, Großteils indizierter Szene-Musik. Die Ablehnung ausländischer Mitbürger, erst der Türken, heute eher der Russland-Deutschen sowie ständiger Fremdenhass seien dort gang und gäbe.

Er stelle sich die Frage, sagte Hafeneger am Montag auf einer Tagung der Evangelischen Akademie Arnoldshain, ob man mit solchen Jugendlichen überhaupt noch etwas machen könne. Und: Wie sähe das pädagogische Personal aus, das "bereit ist, mit solchen Jugendlichen zu arbeiten?" Hafeneger bezog sich dabei etwa auf einen Streetworker, der in einer nordhessischen Kleinstadt mit einer derartigen Clique zusammengearbeitet hatte, doch bereits nach einem halben Jahr aufgeben musste.

Grundlage der Studie, aus der Hafeneger und eine Projektgruppe jetzt erste Ergebnisse vorstellten, war die Befragung von 209 hessischen Jugendpflegern, aus der etliche Interviews mit drei sehr unterschiedlich strukturierten Cliquen entstanden. Auch wenn nur in einer dieser drei Gruppen Verbindungen zu rechtsextremen politischen Parteien wie etwa der NPD beständen, so lebten dennoch alle diese Gruppen mit denselben Feindbildern.

Überrascht habe die Projektgruppe bereits der hohe Rücklauf bei der ersten Umfrage unter den Jugendpflegern: Denn von den 209 Pädagogen hätten 113 geantwortet, von denen wiederum 38 Erkenntnisse über rechte Cliquen hätten. Von denen wieder hätte die Hälfte über diffus bestehende Gruppen informiert, meist handelte es sich dabei um Angaben zu besonderem Outfit oder Grölereien unter Alkohoeinfluss. Die andere Hälfte aber konnte recht genaue Angaben über das Bestehen von Cliquen machen, die sich nicht nur privat träfen, sondern sich offenbar an "rechtsextremistischen Leitbildern" orientierten. Diese Gruppen hätten bis zu 20 Mitglieder, die zwischen 12 und 25 Jahren alt und fast alle männlich seien.

Zwar könne man derzeit noch nicht von einer "flächendeckenden Infrastruktur" solcher Gruppen reden. Auch gebe es keine Hinweise auf eine Vernetzung, aber zum Teil existierten Kontakte untereinander. Selbst dort, wo die Landkarte rechter Cliquen nach der Umfrage noch weiße Flecken habe, wisse man zum Beispiel vom Staatsschutz, dass auch dort solche Gruppen existierten, wie etwa im Vogelsberg. Laut Hafeneger plane die Universität nach ihren ersten Arbeiten nun, die rechte Szene in einem Landkreis gezielt und exemplarisch genauer zu untersuchen. Dann sollten Schulen, Kirchen, Jugendtreffs in die Arbeit einbezogen werden.

Doch bereits die Interviews in den drei ersten Cliquen, auf die die Arbeitsgruppe gestoßen war, zeige, wie sehr sich ausländerfeindliches Denken dort etabliert habe. Da sind etwa die Leute aus einem nur 350 Einwohner zählenden Ort, die sich als eine Art "Schicksalgemeinschaft" sähen. Auf die Frage eines Interviewers zu seinem Alltag soll der Jugendliche gesagt haben, "ein Kumpel ist blöd angemacht worden von einem ausländischen Jugendlichen, das ist Alltag". Kulturpessimistisch eingestellt, beseelt von einer schwärmerischen Idylle der Männergemeinschaft, abgegrenzt von Hip-Hopper, Skatern und andere Gruppen, die vermeintlich ausländisch geprägt seien, lebten sie in einer Welt rechter Anschauungen. Wenngleich in dieser Gruppe das Tragen von Bomber-Jacken die "einzige politische Tat" sei, so waren die Interviewer überrascht über Insider-Kenntnisse von Musik der Bands wie "Euthanasie" oder "Macht und Ehre".

Die Mitglieder solcher Cliquen lebten mit dem Bewusstsein "Ich bin ein Patriot" und "Der Schulhof ist das Schlachtfeld". Provoziert immer "von den anderen", könne bereits der Streit um eine Zigarette in einer Schlägerei ausarten. Etwas härter war das, was die Interviewer, darunter Studenten und wissenschaftliche Mitarbeiter, bei einer Clique in Nordhessen erlebten: Deren Mitglieder besuchen zum Teil die "Liederabende" der NPD, verteilten Flyer für die Partei und ließen sich für Demonstrationen anwerben.

Dass diese Art rechtsextremistischer Betätigung mindestens teilweise auf Unterstützung im Elternhaus stößt, erlebten die Marburger beim Besuch eines der Jugendlichen: Die Reichskriegsflagge an der Wand hatte dieser junge Mann vom Vater geschenkt bekommen, der gar Polizeibeamter sei. Ein anderer habe von den Eltern zum 18. Geburtstag ein Luftdruckgewehr bekommen, und einer Mutter gefiel zwar die Musik einschlägiger Bands nicht, wohl aber deren Inhalte. Das Äußerste an Ermahnung sehe so aus: Mach das Fenster zu, damit die Nachbarn die rechte Musik nicht hören könnten.

Frühere Studien:

Abe Foxman zum Antisemitismus:
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Rabbiner Michael Melchior:
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Erfolgreich gegen Nazi-Propaganda im Internet:
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