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Judentum und Israel
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Nicht koscher, aber erfolgreich:
Jüdische Kontingentflüchtlinge gründen eine Pelmenifabrik

Von Renate Heusch-Lahl (Rostock)

Juri Levithin bezeichnet sich zuerst als Juden, dann als Ukrainer. Daher bedauert es der 41-Jährige, wenig Zeit für die Arbeit in der Jüdischen Gemeinde zu haben. Vor vier Jahren kam der Maschinenbauingenieur nach Rostock und fand in der Gemeinde Rat. Um nicht weiter auf Sozialhilfe angewiesen zu sein, gründete er 1997 gemeinsam mit Boris Flax eine Pelmenifabrik.

"Wir hatten mehr als zweihundert Ideen. Aber wir mussten etwas nehmen, womit man Geld verdienen kann", erinnert sich der 52-jährige Sänger aus St. Petersburg. So gründeten die beiden, die sich über die Jüdische Gemeinde kennen lernten, 1997 die Firma, die Pelmenis produziert und vertreibt. Diese russischen Teigwaren sind mit Hackfleisch gefüllt. Eine nicht koschere Spezialität also.

Für Boris Flax steht fest: "Wenn ich gewusst hätte, wie schwer es ist, in Deutschland ein Unternehmen aufzumachen, dann hätte ich es gelassen." Nicht ohne Stolz verweisen die beiden darauf, dass ihr Betrieb als einzige deutsche Pelmeniproduktion die EU-Zulassung erhalten hat. Die Anforderungen seien enorm gewesen, erinnert sich Flax. Das Gebäude habe man neu ausrüsten müssen, in den Bereichen Verpackung und Rohstoffverarbeitung gebe es spezielle Vorschriften. Mit Hilfe des Landesförderinstituts und des Arbeitsamts beschäftigt die Firma, die etwa eine Million Mark Umsatz jährlich macht, inzwischen acht Mitarbeiter. Ein deutscher Fleischer gehört zum Team. Für die beiden fachfremden Geschäftsführer ist dies eine wichtige Hilfe. Ihre Produkte verkaufen sie an russische Handelsketten und an den deutschen Großhandel. Der Wettbewerbsdruck ist jedoch hart, musste Flax erkennen.

Die beiden waren auf sich allein gestellt mit der Gründung der Firma im fremden Land. "Einen Unternehmensberater konnten wir uns nicht leisten", erzählt Flax. Immerhin hat es nur sechs Wochen gedauert, bis die Deutsche Bank ihnen einen Kredit genehmigte. Und das, obwohl die Sozialhilfeempfänger keine Sicherheiten zu bieten hatten.

Gern denken die beiden an die Jüdische Gemeinde. Boris Flax ist kein Mitglied; das darf er auch gar nicht, da nur sein Vater Jude war. Für den deutschen Staat spielte es keine Rolle, als er 1996 beschloss, nach Deutschland zu gehen. Als Solosänger stand er kurz vor der Rente. Da hat er sich gedacht: "Wenn schon wechseln, dann kann ich auch die Lebensart wechseln." Die möglichen Länder USA, Kanada, Israel und Australien verwarf er. Er wollte in Europa bleiben. Juri Levithin bezeichnet sich selbst als unreligiös. Für ihn bedeutet Jude zu sein, im Judentum seine nationale Identität zu finden. Immerhin sei die Gemeinde die einzige Institution, die jüdische Interessen vertrete. Regelmäßig besucht er dort Veranstaltungen. Mit seiner Frau, mit Mutter, Schwiegermutter und Bruder habe er dort seine Anlaufstelle gefunden.

Schon 380 jüdische Kontingentflüchtlinge und deren Familienangehörige aus der ehemaligen Sowjetunion fanden in der Rostocker Jüdischen Gemeinde Aufnahme. Im Max-Samuel Haus ist derzeit eine Fotoausstellung zu zehn Jahren jüdischer Zuwanderung zu sehen. Hilfe in praktischen Fragen bei Behörden und zur Überwindung der Sprachprobleme geben, religiöse Regeln vermitteln und Anlaufpunkt in der Fremde sein, zählen zu den wichtigsten Aufgaben der Gemeinde, erläutert deren Vorsitzender Leonid Bogdan. Flax erzählt, dass er noch heute Freundschaften habe, die sich aus der Jüdischen Gemeinde entwickelten. Seine Frau Tatjana arbeitet als Kostümbildnerin beim jüdischen Theater.

Auch wenn es für ihn keine besondere Bedeutung habe, Jude zu sein, fragt sich der 52-jährige Russe, wieso Neonazis in Deutschland Antisemiten seien und Synagogen anzünden. Juden seien eher unauffällig, während zum Beispiel die Araber in Deutschland für ihre politischen Auffassungen legal und auch illegal kämpften, findet er.

Auch Levithin glaubt, dass die Deutschen die Ausländerfeindlichkeit nicht so schnell abbauen werden. Für ihn ist es kein politisches, sondern ein wirtschaftliches Problem. "Wenn ein Mensch Eigentum hat, dann geht er nicht auf die Straße. Das oberste Gesetz in Deutschland ist der Besitz. Wenn ein Mensch nichts hat, dann macht er, was er will. Er beschmiert und beschädigt das Eigentum der anderen." Dies sei der Grund, dass in Ostdeutschland mehr Rechtsradikalismus existiere, glaubt er. Die Unzufriedenheit sei eben größer. Beide versichern jedoch, keine Angst zu haben, dass ihnen selbst etwas passieren könne. Im Alltag des Unternehmers bleibe gar keine Zeit dazu, sich diese Fragen zu stellen.

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