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Judentum und Israel
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Offenbach-Post

Bertha Pappenheim:
Ihr Vertrauen wurde missbraucht

Neu-Isenburg (aug) Werner Bremser kann sich noch deutlich an die zierliche alte Frau erinnern. "In der Taunusstraße spielten wir fast täglich Fußball. Einige wirklich böse Buben waren auch immer dabei. Aber wenn sie kam, teilte sich der Pulk auf der Straße, und alle blieben wie angewurzelt stehen." Die außergewöhnliche Erscheinung Bertha Pappenheims (1859-1936) blieb Anfang der 30er Jahre auch den halbstarken Jungs um Werner Bremser nicht verborgen.

Ihr Leben und Wirken zu rekonstruieren, kamen der Zeitzeuge, Pfarrer Matthias Loesch und die Publizistin und Forscherin Helga Heubach im Bertha-Pappenheim-Haus zu einer Gesprächsrunde zusammen. Dabei wurde deutlich, wie vielschichtig die Arbeit der Jüdin war. Für die Sozialarbeit hat sie großes geleistet, für die Emanzipation der Frau und für die Verankerung des Judentums im Alltag. Darüber hinaus gründete und leitete sie das jüdische Erziehungsheim in der Zeppelinstraße, was sie auch zu einer der bedeutendsten Persönlichkeiten der Hugenottenstadt macht.

Bremser beschreibt sie aus eigener Erinnerung und den Dokumenten anderer Zeitzeugen als gravitätische Erscheinung: "Ausgestattet mit großem Willen, Verstand und immer zielgerichtet." Einen unlängst erhaltenen Brief der aus Neu-Isenburg in die USA ausgewanderten Jüdin Elisabeth Wolf hatte Bremser dabei, in dem sie ihm Bertha Pappenheim allerdings aus einer zwiespältigen Sicht schildert. Denn die kleine Elisabeth mochte es nicht, wenn die Besucherin ihre Mutter in Beschlag nahm. "Dann musste ich immer mit dem Dienstmädchen alleine bleiben", erinnert sie sich an die kindlichen Erlebnisse in der Heimatstadt. "Stand sie an der Tür, sagte ich in breitestem Iseborjerisch: Die Mudder is ned do!" Am Ende des Briefes beschreibt auch Elisabeth Wolf die Erzieherin als Frau mit unglaublicher Ausstrahlung, die sie aus späterer Sicht bewundernd in Erinnerung behält.

Bertha Pappenheim selbst begriff sich nicht nur als Jüdin, sondern daneben auch als Frau und Deutsche. Alles Positionen, für die sie ihre intellektuelle Kraft als Wissenschaftlerin und Schriftstellerin einsetzte. Die in Wien geborene Frau vertrat eine aus dem Bildungsbürgertum entwickelte Position des aufgeklärten, humanistischen Deutschlands.

Nur so ist es auch zu erklären, das sie am Ende ihres Lebens zu einer Fehleinschätzung über die Situation im Nazi-Deutschland kam und die dem Heim angehörigen jüdischen Kinder nicht ins Ausland schickte. Denn die Warnungen über das zu erwartende Schicksal ihrer Zöglinge nahmen nach 1933 stetig zu. "Sie hatte Vertrauen in das Land: Ein Vertrauen, das schändlich missbraucht wurde", so Werner Bremser in der Gesprächsrunde. Die Kinder kamen allesamt nach Auschwitz oder in andere Konzentrationslager und wurden dort ermordet. Bremser selbst erinnert sich noch heute an das nach einem Pogrom brennende Erziehungsheim in der Zeppelinstraße: "Das erschüttert mich bis heute."

Bertha Pappenheims Andenken zu würdigen, dafür ist er vor vielen Jahren in das Stadtparlament eingetreten. "Ein Ansinnen, das seltsamerweise gegen einige Widerstände verteidigt und durchgesetzt werden musste." Heute gehört Bertha Pappenheim zu den wichtigsten Persönlichkeiten der Stadt.

Und geistesgeschichtlich ist sie neben bedeutenden Frauen wie Hildegard von Bingen, Rahel Varnhagen und Sybille von Merian einzuordnen", meint Pfarrer Loesch. Auch wenn heute nicht viele Neu-Isenburger etwas mit ihrem Namen anzufangen wüssten.

 


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