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Rechtsextremismus: 
Zwischen Sommerloch und
ernsthafter Bekämpfung

Rechtsextremismus, rassistische und antisemitische Straftaten sind das Thema des vergangenen Sommers. Es gibt kaum eine Zeitung oder einen Politiker, die nicht dazu Stellung bezogen haben und ihrer Betroffenheit Ausdruck verleihen. Gerade die rot-grüne Bundesregierung bemühte sich in den letzten Monaten hektische Betriebsamkeit zu zeigen. Ein 75 Milliarden-Programm zur Bekämpfung des Rechtsextremismus wird aus EU- Mitteln finanziert, Bundesinnenminister Otto Schily treibt im Verbund mit der CSU die Diskussion über ein Verbot der NPD voran und Bundeskanzler Gerhard Schröder ruft zu einem „Aufstand der Anständigen“ auf. Angesichts der deutschen Normalität stellt sich die Frage wem nutzt überhaupt diese Form von staatlichem Antifaschismus?

Die Erkenntnis, daß Antisemitismus und Rassismus aus der Mitte der deutschen Gesellschaft kommen war in diesem Sommer in beinahe allen Medien, nachdem SozialwissenschaftlerInnen und antifaschistische Gruppen jahrelang auf genau diese Problematik hingewiesen hatten. Ernstgenommen wird der inhaltliche Kern dessen, was da plötzlich deutscher Mainstream sein soll allerdings bis heute nicht. So fixiert sich die momentane Diskussion auf das mörderische Attentat in Düsseldorf, Anschläge auf Synagogen und Schändungen jüdischer Friedhöfe. Die Täter und Täterinnen werden in dem scheinbar randständigen Bereichen der neonazistischen Szene verortet. Ausgeblendet werden jedoch der Antisemitismus und Rassismus der Mitte, welche erst die Basis dafür schaffen, daß sich Rechtsextreme als Vollstrecker eines „Volkswillens“ fühlen können.

So bildeten in den letzten Jahren Debatten über den Umgang mit der deutschen Vergangenheit ein Mobilisierungsfeld für antisemitische Ressentiments und „Tabubrüche“. Zu nennen sind hier der Streit um Daniel J. Goldhagens Buch „Hitlers willige Vollstrecker“, die Diskussion um die Ausstellung „Vernichtungskrieg. Verbrechen der deutschen Wehrmacht 1941-1945“ oder die Kontroverse zwischen Martin Walser und Ignatz Bubis. Im Zusammenhang mit der letztgenannten Konroverse kommentierte jener Gerhard Schröder, der heute den „Aufstand der Anständigen“ fordert, die Friedenspreisrede von Martin Walser mit den Worten: "...eine bestimmte Form des Sicherinnerns war erstens aufgezwungen und zweitens ritualisiert. Das hängt auch miteinander zusammen. Ich finde, das sollte nicht sein. Leute, die keine eigene Erinnerung haben - das betrifft meine Generation und die Generationen, die danach kommen -, sollten ohne Schuldkomplexe herumlaufen können."

Beispiele dieser und ähnlicher Art ließen sich in beinahe beliebiger Zahl aneinanderreihen. Sie zeigen vor allem eines auf, nämlich wie tief verwurzelt der Antisemitismus in der deutschen Kultur ist, wie wenig sich mit ihm auseinandergesetzt wird und wie hilflos und heuchlerisch zugleich der Umgang damit ist. Wer Rechtsextremismus in erster Linie mit dem Einsatz von mehr Polizei, mehr Überwachung, mit härteren Gesetzen und Parteiverboten bekämpfen will, unterstützt eben jene autoritären Strukturen, welche in Deutschland einen Nährboden für den Nazismus darstellen. Ein Bundesinnenminister Otto Schily, der rigoros die NPD verbieten und gleichzeitig Flüchtlinge effektiver abschieben will oder ein CDU/CSU-Fraktionschef Friedrich Merz, welcher von „deutscher Leitkultur“ fabuliert, sie sind beide eher ein Teil des Problemfeldes Rassismus, als daß sie an seiner Lösung beteiligt sein könnten. Genau hier sind auch Paul Spiegels Zweifel berechtigt, ob in Deutschland wirklich die richtigen Lehren aus der Vergangenheit gezogen wurden und der sich fragt, ob es nicht doch die Bereitschaft gebe, Gewalttaten gegen Asylbewerber und andere Angehörige von Minderheiten einfach hinzunehmen.

Aber auch die vielen neu ins Leben gerufenen Initiativen von Prominenten aus Kunst, Kultur und Politik erwecken eher den Anschein, als ob ihr Sinn weitaus mehr darin liegt das Bild Deutschlands im Ausland zu retten, denn ernsthafte Arbeit gegen Rassismus und Antisemitismus zu fördern. Es soll hier nicht den Einzelnen ihr ehrlich gemeintes Engagement abgesprochen werden. Nur wären großzügig ausgegebene Gelder für öffentlichkeitswirksame Großveranstaltungen sicherlich bei Gruppen und Institutionen besser angelegt, welche seit Jahren im Alltag versuchen mit Bildung- und Jugendarbeit, mit Beratung von Opfern rassistischer Gewalt oder auch mit der Darstellung jüdischen Lebens in Deutschland dem rechten Mainstream entgegenzuarbeiten. Diesen, häufig auch kleinen Initiativen, fehlt in der Regel das nötige Geld um ihre Arbeit effektiver und auch weniger selbstausbeuterisch zu organisieren.

Wer wirklich, das häufig angeführte zivilgesellschaftliche Engagement fördern wollte, sollte diese Alltagsarbeit stärken, gerade auch dann, wenn es der deutschen Gesellschaft unbequem ist. Ansonsten steht eine Wiederholung der Situation bevor, wie sie Anfang der 90er Jahre bestand. Damals wurden nach den pogromartigen Ausschreitungen von Teilen der deutschen Bevölkerung und nach einer Welle von Gewalt gegen Flüchtlinge Lichterketten organisiert, rechtsextreme Kleingruppierungen verboten und ein kurzatmiges Antigewaltprogramm mit Namen AgAG verabschiedet. An der täglichen Gewalt gegen Flüchtlinge, Obdachlose und Andersdenkende oder an den Schändungen jüdischer Friedhöfe hat dies alles nicht viel geändert, sie ist vielmehr deutsche Normalität geworden.

Initiativen wie die regionalen Arbeitsstellen für Ausländerfragen (RAA), die Opferperspektive, das antifaschistische Pressearchiv oder auch der jüdische Online-Dienst haGalil arbeiten weiterhin mit viel zu knappen oder gar keinen öffentlichen Mitteln. Parteipolitische Profilierungsversuche, Medienspektakel und ähnliches sind allerdings eher dazu geeignet projekten, wie den oben beispielhaft angeführten das Wasser abzugraben, als sie zu fördern.

klick-nach-rechts.de / IS

 


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