Schmähungen und Angriffe
gegen jüdische Jugendfußballer
Schwer wiegende Vorfälle häufen sich, doch die
Sportfunktionäre reagieren auf alle schriftlichen Eingaben des TuS
Makkabi mit Vertröstungen
Von Claudia Michels
In "einer Angelegenheit, die uns sehr bedrückt" wendet sich der
Frankfurter jüdische Sportverein Makkabi an die Öffentlichkeit. Seit
August seien jugendliche und erwachsene Makkabi-Kicker bei fünf
Fußballspielen zu Gast bei gegnerischen Clubs wüst beschimpft,
geschlagen und gehetzt worden. Weder der Sportkreis Frankfurt noch der
Hessische Fußballverband oder der Deutscher Fußballbund (DFB) haben es
geschafft, zu intervenieren.
Der Makkabi-Vorstand hat jetzt OB Petra Roth und den
Hessischen Ministerpräsidenten Roland Koch (beide CDU) informiert.
Manuel traf es als ersten. Am 26. August wurde das A-Jugend-Match von
Makkabi gegen den 1. FC Rödelheim abgebrochen, nachdem einer aus der
Rödelheimer Mannschaft den 18-jährigen Makkabi-Spieler erst "die ganze
Zeit als ,Scheiß-Juden' provoziert" und dann durch einen gezielten
Kopfstoß schwer verletzt hatte. Manuel, dessen Name hier geändert ist,
erlitt auf dem Rödelheimer Feld einen Nasenbeinbruch und musste operiert
werden. Die herbeigerufene Polizei, so berichtet der junge Mann, habe
zunächst von "einem Privatdelikt" gesprochen. Die Betreuer der Gegner
hätten aber abgewiegelt, es handele sich "um eine Sportverletzung". Aus
diesem Anlass schrieb Dieter Graumann, Mitglied des Vorstands der
Jüdischen Gemeinde und 1. Vorsitzender des TuS. Makkabi, einen ersten
Brief an den Präsidenten des Hessischen Fußballverbands, Rolf Hocke:
"Besonders enttäuschend und empörend war und ist, dass nicht ein
Betreuer, Spieler oder Zuschauer unseres Spielgegners diesen Vorfall
bedauerte oder sich gar entschuldigte." Auch für Manuel ("Die Proleten,
die ,Scheiß-Juden' rufen: Da stehen wir drüber") waren "das eigentlich
Schlimme die Reaktionen von Polizei und Betreuern: Keiner hat was
gehört, und weiter geht das Spiel".
Der Rödelheimer Fall wurde in einer Sportgerichtsverhandlung behandelt -
fair, wie Zuhörerin Beate S., Mutter eines Makkabi-D-Jugend-Spielers,
berichtet. Doch auch bei diesem Anlass, als der gewalttätige Rödelheimer
Fußballer eine Sperre von acht Monaten bekam, habe "von denen keiner
kapiert, dass es um das antisemitische Verhalten geht". Die Eltern der
D-Jugend, so Beate S., haben ihre Kinder nach dem Nasenbeinbruch "nicht
in Rödelheim antreten lassen". Während Makkabi-Vorstand Dieter Graumann
bis heute auf die Stellungnahme der hessischen oder bundesdeutschen
Fußball-Funktionäre wartet, brachten Oktober und November nach den
Schilderungen der Betroffenen vier weitere schlimme Zwischenfälle
gegenüber Makkabi-Spielern auf Frankfurter Fußballplätzen. Graumann hat
die Chronologie der Ereignisse laufend den Funktionären an der
Otto-Fleck-Schneise übermittelt. "Am 16. Oktober wurde im B-Jugendspiel
unserer Mannschaft bei Viktoria Preußen einer unserer Spieler von einem
jugendlichen Zuschauer mit einer Pistole bedroht und so angesprochen:
,Du bist wohl auf Schindlers Liste'." Nächster Fall: "Am 18. Oktober
wurden unsere A-Jugendlichen in einem Spiel beim SV Niederursel von
Zuschauern, die ganz offensichtlich Spieler des Vereins waren, so
beschimpft: ,Wir wollen Euch brennen sehen'."
Der Beschwerdeführer rekapituliert zu beiden Begegnungen in gleich
lautenden Schreiben an die Präsidenten von Hessischem Fußballverband und
DFB: Während sich der Jugendwart von Viktoria Preußen "nicht genötigt
sah, einzugreifen", sei "der Jugendtrainer des SV Niederursel selbst zu
diesen Zuschauern gegangen und rügte derartige Zurufe". Dennoch habe
auch die Begegnung mit Niederursel für Makkabi "höchst bedrückend"
geendet: "Unsere Spieler wurden beim Verlassen des Sportgeländes mit
Steinen beworfen und als ,Scheißjuden' angeschrien." Graumanns
Schlussbemerkung nach der erneuten Bitte, "endlich deutliche Signale zu
setzen": "Es wäre wichtig, wenn wir Sie hier an unserer Seite wüssten."
Ende Oktober kamen von den Fußballfunktionären, die an der Frankfurter
Otto-Fleck-Schneise Tür an Tür residieren, je ein Antwortbrief. Man
werde "diesen Angelegenheiten konsequent nachgehen" und "mit Ihnen
schnellstens ein Gespräch führen, sicherte Gerhard Hilgers für den
Hessischen Fußball-Verband zu. Man werde "dringlich beim Hessischen
Fußball-Verband nachfragen" und "nicht bagatellisieren", versprach Theo
Zwanziger vom Generalsekretariat des Deutschen Fußball-Bunds (DFB).
Dabei ist es von höchster Stelle geblieben, so Graumann. Auch auf
FR-Anfrage wollte Geschäftsführer Gerhard Hilgers "nicht Stellung
nehmen". Er führte einen "Gesprächstermin am kommenden Montag, 16.30
Uhr, mit allen Beteiligten" ins Feld. Von dem Termin war aber zweien
davon, nämlich Dieter Graumann und dem "Fußball-Mediator" Roland
Frischkorn (Vorsitzender des Sportkreises Frankfurt) bis dahin nichts
bekannt.
Sie haben an diesem Tag auch gar keinen freien Termin
für das Gespräch. Roland Frischkorn, der sich "in einem Vorgespräch" mit
Makkabi informieren ließ, rügt: "Wir müssen die Mannschaften an einen
Tisch bringen, weil sonst in den Köpfen nichts passiert." Das geforderte
Zeichen "dass so etwas nicht geduldet wird", bedinge, "dass die Verbände
sich engagieren". Unterdessen ist die Kette der Fälle antisemitischer
Hetze gegen Makkabi-Spieler noch länger geworden. Am 12. November, als
die Erste Mannschaft gegen Rotweiß Frankfurt aufgelaufen war, habe "nach
Spielschluss einer der Gegner unseren Mannschaftsbetreuer als
,Judenarschloch' beschimpft", schickte Dieter Graumann schriftlich in
die Otto-Fleck-Schneise. Und: "Eine Anhängerin von Rotweiß äußerte
folgende Meinung: ,Euch hat man vergessen zu vergasen'." Es folgt Fall
Nummer 5, der vom Vereinsvorstand als "extrem schwerwiegend" geschildert
wird. Auch Manuel war bei Schwarzweiß Griesheim am vergangenen Samstag,
25. November, dabei, als sich nach dem Abpfiff gegnerische Jungs mit
judenfeindlichen Schmährufen vor der geschlossenen Makkabi-Kabinentür
zusammengerottet hätten. Zu "sechs, sieben Leuten" sei die Makkabi
A-Jugendmannschaft schließlich hinaus auf den Gang getreten. Dass der
Kleinste, ein Grieche, eine Wasserflasche in der Hand hatte, hätten die
Griesheimer draußen zum Anlass genommen, sich "jeder eine Flasche zu
holen", berichtet Manuel. Dann hätten sie "den Kleinen 200 Meter durch
die Straße gehetzt". Irgendwie, Manuel weiß nicht, wie, habe sich das
Opfer retten können, ohne Schläge einzustecken: "Der saß dann bei mir im
Auto und war nicht ansprechbar." Dann seien sie "einfach gefahren".
"Dass diese Fälle sich derart häufen und dramatisch verschärfen", hat
Dieter Graumann an die Fußballfunktionäre in der Otto-Fleck-Schneise
geschrieben, "sehen wir als direkte Folge Ihrer Passivität". Auch Roland
Frischkorn, der Fußball-Mediator, "kann die Verbitterung von Makkabi
sehr gut verstehen: Wir müssen reagieren." Bei Manuel und den anderen,
die Hetzrufe "ein bis zwei Mal pro Saison" früher auch schon kannten,
ist der sportliche Ehrgeiz unterdessen verflogen: "Wir hoffen alle immer
nur noch, dass das Spiel friedlich zu Ende geht."
http://www.fr-aktuell.de |