"Zur Zeit" lädt ein:
Europas Rechte in Österreich
Von Karl Pfeifer, Wien
Erschienen im
Standard, 08.11.01
Die Reisediplomatie als
vorübergehende Causa prima der österreichischen Politik lässt vergessen,
welche Koalition heute Österreich regiert. Bundeskanzler Wolfgang
Schüssel wurde von Präsident George W. Bush empfangen, und nun glauben
einige ÖVP-Politiker, Österreich sei wieder auf dem Weg zur Insel der
Seligen.
Sachte. Es gibt noch jemanden,
der einen Strich durch diese Rechnung machen könnte. Am Samstag
veranstaltet Zur Zeit in einem österreichischen Hotel die Tagung
"Europas Rechte und die Medien". Diese der österreichischen Regierung
nahe stehende Wiener Wochenzeitung wird von Botschafter a. D. Dr. Johann
Josef Dengler (ÖVP), Bundesrat Oberst Mag. John Gudenus (FPÖ) und
Andreas Mölzer herausgegeben. Von österreichischer Seite nehmen neben
Chefredakteur Andreas Mölzer die niederösterreichische freiheitliche
Landtagsabgeordnete Barbara Rosenkranz, der Historiker Lothar Höbelt und
ein noch nicht namhaft gemachtes "hochrangiges Mitglied der FPÖ" teil.
Diskutanten am Podium sind u. a.
Filip Dewinter vom Vlaams Blok in Belgien sowie Bruno Mégret, Le Pens
Rivale vom "Mouvement National Republicain" (MNR), "die Hoffnung der
französischen Rechten", und der Führer der im Parlament vertretenen
ungarischen "Partei der Gerechtigkeit und des Lebens" (MIÉP), István
Csurka, der laut Einladung "demnächst in Ungarn wohl in die Regierung
eintreten dürfte".
Auf eine Frage der Süddeutschen
Zeitung (vom 3. November) zur Person von István Csurka antwortete der
ungarische Ministerpräsident Viktor Orbán: "Es ist Teil der ungarischen
Polit-Folklore, dass die Linke jeden Nichtlinken zum Antisemiten
erklärt."
Doch Csurka hat erst unlängst
wieder einmal ein Pamphlet veröffentlicht, in dem er der Regierung von
Gyula Horn (1994-98) vorwirft, einen Mann mit "historischen Namen aus
einer reformierten ungarischen Familie" von der Spitze der Nationalbank
entfernt und wieder einen Protegé "jüdischer Abstammung" eingestellt zu
haben, also Rassismus pur. Er schreckt auch nicht davor zurück, Zoltán
Bosnyák, einen wegen seiner Beteiligung am Massenmord an den ungarischen
Juden hingerichteten ungarischen Nazi, als Märtyrer dazustellen.
"Unterdrückte Völker"
Zu den Terroranschlägen in den
USA meinte István Csurka: "Die unterdrückten Völker der Welt konnten
nicht die Erniedrigung durch die Globalisierung, die Ausbeutung und den
in Palästina planmäßig durchgeführten Genozid ohne einen Antwortschlag
erdulden." Trotzdem schließt Viktor Orbán eine Koalition mit einer von
einem solchen Mann angeführten MIÉP, deren führende Funktionäre sich
ebenfalls durch antisemitische Ausfälle bemerkbar machen, nicht aus.
Glaubt er sich dabei auf das Beispiel seines Freundes Wolfgang Schüssel
berufen zu können?
Der Bundeskanzler versprach am 3.
Februar 2000 für ein Österreich zu arbeiten, "in dem
Fremdenfeindlichkeit, Antisemitismus und Rassismus keinen Platz finden".
Wie lässt sich dieses Ziel mit einer solchen Tagung, die von einer von
der Bundesregierung mit mehr als 800.000 S subventionierten
Wochenzeitung organisiert wird und an der Protagonisten der extremen
Rechten aus ganz Europa teilnehmen, in Einklang bringen?
hagalil.com / 08-11-2001 |