Keine Selbstmörderinnen, sie werden hingerichtet
Die palästinensischen Selbstmörderinnen sind keine Freiwilligen: Man zwingt sie
Von Anat Peri,
Ha'aretz 22. April 2002
Anat Peri ist Historikerin und Schriftstellerin
Übersetzt von Karl Pfeifer
Die Aktivitäten der selbstmörderischen Terroristinnen werden in den
ausländischen Medien in bewundernden Tönen geschildert, als eine Art Widerhall
ihrer auf Video registrierten Reden und sogar israelische Journalisten berichten
die Daten der Selbstmörderinnen, derer die verhaftet wurden und derer die ihre
Tat begangen haben, ohne ihre Aufmerksamkeit auf die gesellschaftliche Stellung
dieser Frauen zu lenken.
Es handelt sich um Menschen auf der untersten Stufe der gesellschaftlichen
Leiter: geschiedene Frauen, ein Teil von ihnen Mütter von Kindern, deren Status
in der arabischen Gesellschaft niedrig ist und die verachtet werden. Man kann
sie ausnützen und sie laufen immer Gefahr beschuldigt zu werden, die Ehre der
Familie verletzt zu haben. Sie werden oft auch am Leben bedroht. Die
Terroristin, die sich an der Autobushaltestelle in Machane Jehuda (in Jerusalem
K.P.) in die Luft sprengte, wurde im Video gezeigt, und sah aus wie eine, die
zum Tod verurteilt wurde und nicht als eine Person die selbst beschlossen hat so
zu sterben.
Man muß nicht viel Phantasie haben, um anzunehmen, dass dies die Lage ist: Die
Organisation kann nicht "Tausende Freiwillige rekrutieren, die sich anstellen um
Shahids (Märtyrer) zu werden", wie man uns erzählt, sondern zwingt Menschen -
hilflose Frauen von der untersten Stufe der Gesellschaft - als lebende Bomben zu
agieren, und man läßt ihnen keine andere Wahl. Die vorgesehene Selbstmörderin
Schipa el Kudsi, geschieden und Mutter einer Tochter, die in Tulkarem gefaßt und
der damit das Leben gerettet wurde, war bemüht die Identität ihrer Auftraggeber
nicht preiszugeben, nicht aus Treue zu denen, sondern um ihr Leben zu retten.
Der Korrespondent des Fernsehens fragte sie, ob es ihr nicht Leid tut viele
Jahre im Gefängnis zu verbringen und vergaß, dass das Gefängnis ihre einzige
Chance ist am Leben zu bleiben, vorausgesetzt, sie verrät ihre Auftraggeber
nicht.
Man muß sehr naiv sein, um zu glauben das solche junge Mütter ihr einziges Kind
aus freiem Willen verlassen, um für Palästina Selbstmord zu begehen, ohne dass
sie dazu gezwungen werden weil man ihren bedauernswerten Status in der
Gesellschaft ausnützt, in dem ihr Leben sowieso in Gefahr ist, und nicht wegen
Israel.
Ein andere Sorte von Selbstmördern sind die Minderjährigen, die mit den gleichen
psychologischen Mitteln in den Tod geschickt werden, die Jugendliche benützen,
um ein Kind, das ihnen nicht paßt, dazu zu zwingen sich auf die Straße zu
stürzen vor die Räder eines rasenden Autos: Werde ein Held oder Zielpunkt des
Spottes. In Gesellschaften, in denen die Beschämung schlimmer ist als der Tod,
ist es nicht sehr schwer Menschen zum Selbstmord anzustiften, wenn man sie vor
die Wahl stellt, als Helden zu sterben oder in Schande zu leben, oder noch
schlimmer als das: zwischen dem Tod eines Helden oder dem Tod von Verrätern, die
sich weigerten ihr Leben zu opfern. Hier gibt es keine Verzweiflung, keinen Haß,
keine Entschlossenheit, sondern nur absoluter Zynismus und Verachtung des
Menschenlebens, insbesondere des Lebens von Frauen und Kindern. Trotz des
Schreckens dieser Selbstmörder zeugt das Senden von Schwachen und Verachteten in
den Tod für die Heimat nicht von Stärke sondern nur vom militärischen und
moralischen Fiasko.
Auch die Bereitschaft von Gesellschaften, die besten ihrer Söhne in den
Selbstmord zu senden, sind nicht notwendiger Weise ein Beweis für Stärke. Das
Beispiel, das wir betrachten sollten sind die japanischen Kamikaze-Flieger, die
Schock und Furcht bei den Amerikanern ausgelöst haben, und die wie die
Palästinenser überzeugt waren, dass ihre Bereitschaft zum Selbstmord ihnen
militärische und moralische Überlegenheit über ihre Feinde, die das Leben
lieben, gewährt. Es ist überflüssig zu bemerken, wer in diesem schrecklichen
Krieg gesiegt und wer über viele Jahre die Kosten für diesen Fanatismus und
Dünkel bezahlt hat.
Im Gegensatz zur allgemeinen Meinung kämpfen Gesellschaften, die das Leben
lieben besser als Gesellschaften die den Tod erstreben, und Menschen die kämpfen
um Menschenleben zu retten sind bessere Kämpfer als diejenigen die kämpfen um zu
töten. Die Gesellschaften die in den Kriegen siegen, sind die produktiveren,
schöpferischeren und diejenigen, deren Bürger freier sind. Die Benützung von
Selbstmördern, wie das der Fall der Kamikaze lehrt, hat weitreichende Folgen,
und nicht eben zu Gunsten der Auftraggeber dieser Selbstmörder. Gerade der
Erfolg der Kamikaze und der Schrecken den sie verursacht haben führte dazu, dass
die Amerikaner in den Japanern herzlose Geschöpfe zu sehen begonnen haben, als
eine Art Maschinen in der Form von Menschen. Bis heute fällt es den Japanern
schwer dieses Image der Unmenschlichkeit loszuwerden.
Die Palästinenser werden sehr bald entdecken, was die Japaner seinerzeit
entdeckt haben, dass es ihnen schwer fallen wird nicht nur die Israelis zu
überzeugen, sondern auch ihre vielen Freunde in der Welt, dass sie Menschen und
keine gehenden Bomben sind.
haGalil onLine 26-05-2002 |