"Totalitäre Strukturen"?
Wetter und Gesundheit
Von Karl Pfeifer
Dalia Sarig hat Politikwissenschaften und Geschichte studiert und die letzten
dreizehn Jahre in Israel gelebt. Sie berichtet in der in Wien erscheinenden "Die
Bunte Zeitung - Medium für Würde, Gerechtigkeit und Demokratie" über die
"totalitären Strukturen der israelischen Gesellschaft". Dalia Sarig schildert
Israel so wie es nicht ist, als einen Staat, der auf dem Weg zur Diktatur ist.
Freilich, die Selbstmordattentate gegen Zivilisten und der Jubel darüber in der
palästinensischen Gasse bestärken nicht diejenigen in Israel, die noch immer
hoffen mit Herrn Arafat ein modus vivendi zu finden.
Sie erzählt die Geschichte der Yaffa Yarkoni etwas einseitig. Diese bekannte
israelische Sängerin hätte sich "für die Unterstützung der
Wehrdienstverweigerer, die den Kriegsdienst in den besetzten Gebieten ablehnen,
verantworten" müssen. Was Dalia Sarig nicht erwähnt: Im israelischen staatlichen
Radio, das auch in Wien zu hören ist, gab es lange Diskussionen darüber. Und
Yaffa Yarkoni ist weiterhin eine beliebte Sängerin. "Wer heutzutage die
Entstehungsgeschichte Israels kritisch beleuchtet, läuft Gefahr sein Studium
nicht vervollständigen zu können oder vom Lehrstuhl der Universität
ausgeschlossen zu werden" behauptet sie und wiederholt die Geschichte von Dr.
Ilan Pappe und Theodor Katz, der eine Magisterarbeit vorlegte, die auch eine
ausgezeichnete Beurteilung erhielt. Er unterstellte in
seiner Arbeit,eine Einheit der israelischen Armee (Alexandroni
Brigade) hätte im Mai 1948 südlich von Haifa 200 junge Araber
massakriert. Und Katz informierte auch die Zeitung "Maariv", die -
so totalitär sind die Medien- diese "Frohbotschaft" auch sofort
veröffentlichte. Einige Veteranen der Alexandroni klagten und vor
Gericht stellte sich beim Kreuzverhör heraus, dass Katz nicht nur
keine Beweise für seine Behauptung erbringen konnte, sondern dass er
auch Zeugenaussagen gefälscht hatte. Er einigte sich mit den Klägern
und versprach eine Ehrenerklärung in "Maariv" und "Haarez" zu
veröffentlichen. Doch seine antiisraelischen Mitfinanziers - er
erhielt vom PLO-Funktionär Feisal Husseini - 8.000 Dollar, hatten
ihn nicht unterstützt, damit er auf diese Blutbeschuldigung
verzichtet. (Siehe auch die Neue Zürcher Zeitung vom
18.6.02) Katz erhielt nachdem seine
Arbeit von einer Kommission wegen ernster wissenschaftlicher Mängel
disqualifiziert wurde, die Möglichkeit eine neue, fundierte Arbeit
vorzulegen bzw. die Staatsprüfungen abzulegen. Dr. Ilan Pappe,
dessen Schüler Katz war, begann daraufhin eine Kampage im Ausland
und bat die Vereinigung amerikanischer Historiker, die israelischen
akademischen Institutionen zu boykottieren. Dies beschreibt Sarig
so: "Prof. Pappe bleibt keine Alternative, als sich mit der Bitte um
Unterstützung an seine KollegInnen im Ausland zu wenden." Es ist
direkt amüsant zu lesen, wer alles "Pluralismus und
Meinungsvielfalt" der israelischen Akademie unterstützt. Zum
Beispiel die Kairoer Zeitung Al Ahram, die sich auch für die
Meinungsfreiheit des Holocaustleugners Roger Garaudy eingesetzt hat,
oder Islamisten. Ilan Pappe und andere Antizionisten werden auch im
Stockholmer Radio Islam, wo wüste Holocaustleugnung betrieben wird,
beworben. Dalia Sarig erzählt
Schauergeschichten, dass kritische Menschen in Israel sich nicht
mehr trauen im engen Familien- oder Kollegenkreis über Politik zu
sprechen und deswegen gezwungen sind über "Wetter und Gesundheit" zu
reden. Das niederträchtige an solchen erfundenen Märchen ist, dass
sie das in Wien erzählt und die gutmütigen Leser dieser Zeitung dies
auch glauben. Sie schreibt auch gelassen folgende Unwahrheit: "Auch
JournalistInnen müssen sich mit einer kritischen Berichterstattung
zurückhalten. Nur wenige berichten beispielsweise über die
furchtbaren Lebensbedingungen der PalästinenserInnen in den
besetzten Gebieten." Amira Hass und Gideon
Levy sind wegen ihrer kritischen Berichte "massiven Angriffen
seitens ihrer LeserInnen und KollegInnen ausgesetzt." Immerhin
interessant, dass Gideon Levy weiterhin Chefredakteur der
Wochenendbeilage von "Haaretz" ist und Amira Hass ständig aus dem
Gebiet der palästinensischen Autonomiebehörde berichtet. Es genügt
ein Blick in die hebräische oder englische Ausgabe von "Haaretz", um
festzustellen, dass tagtäglich kritische Berichte über die
israelische Politik und Gesellschaft erscheinen. Von einem Boykott
der erzürnten Leser ist auch nichts bekannt. "Bei den elektronischen
Medien ist die Situation nicht viel anders", behauptet Sarig.
Wirklich? Freitag abends wird im
israelischen Fernsehen eine Wochenschau gezeigt, die auch im Radio
übertragen wird. Am 30. August zum Beispiel hörte ich einen ca.
sechs Minuten dauernden Bericht, über palästinensische Arbeiter beim
Grenzübergang zu Israel, die alle in hebräischer Sprache sich über
ihr Elend beklagten. Dalia Sarig ist aber
sehr unzufrieden mit diesem israelischen Radio: "Im Fall eines
palästinensischen Terroranschlags wird von allen israelischen
Sendern erwartet, dass sie das reguläre Programm abbrechen." Sollten
sie anstatt dessen weiterhin fortfahren mit einer Kabarettsendung
oder mit fröhlicher Musik? Was Dalia Sarig
und ihre Genossen gerne vergessen: Laut Meinungsumfragen,
befürworten noch immer 70 Prozent der Israeli eine Koexistenz mit
einem palästinensischen Staat, wenn die Palästinenser wirklich in
Frieden mit dem jüdischen Staat leben wollen. Wer aber die
Legitimität dieses Staates in Frage stellt, wer ohne Beweise
behauptet, die israelische Armee hätte Massaker begangen, der darf
sich nicht wundern, wenn er dafür nicht gelobt wird.
Was mich auch erstaunt ist das blauäugige Lob für die
Wehrdienstverweigerer in den besetzten Gebieten. Denn diese ist eine
gefährliche Präzedenz für den Fall, dass doch wider Erwarten es doch
zu einer Friedensvereinbarung kommt und die israelische Armee doch
einen Teil der Siedlungen wird räumen müssen. Dann wird es
vielleicht ganz andere Dienstverweigerer geben. Nur werden die sich
auf das Beispiel der linken Dienstverweigerer stützen können.
hagalil.com
03-09-02 |