Israel/Palästina:
"Wenn aus Opfern Täter werden"?
Von Karl Pfeifer
In Deutschland und Österreich besteht bei vielen Menschen ein tiefes Bedürfnis
den Juden vorzuwerfen, sie würden die Palästinenser so behandeln wie ihre Väter,
Großväter und Urgroßväter die Juden in der Zeit von 1933 bis 1945 behandelt
haben. Dieses tiefe Bedürfnis der Umschuldung befriedigt die katholische
Journalistin Dolores Bauer, deren Buch "Israel/Palästina, wenn aus Opfern Täter
werden" am 1. Juli in Wien präsentiert wurde.
Die am Podium anwesende Univ.Prof. Dr. Erika Weinzierl hat auf die Einseitigkeit
des Buches hingewiesen, das nur die Leiden der Palästinenser betont. Sie sprach
von den Ängsten der israelischen Kinder und der israelischen Zivilisten und
betonte, wie problematisch der Untertitel des Buches sei. Weinzierl versuchte
auch aufzuzeigen, wie das palästinensische Flüchtlingsproblem entstand, nämlich
durch die Ablehnung des UNO-Teilungsbeschlusses für das britische Mandatsgebiet
1947 durch die Palästinenser und die arabischen Nachbarn, die den jungen
jüdischen Staat militärisch angriffen. Sowohl sie wie auch Weihbischof Dr.
Helmut Krätzl sprachen über die Schoa, die an den Juden begangen worden ist und
die nicht vergleichbar ist mit den Ereignissen in Israel/Palästina.
Doch genau um diesen Vergleich geht es
der Autorin, die aus dem Buch Stellen vorlesen ließ, die diesen
Zusammenhang herstellten und beim Publikum Zustimmung hervorgerufen
haben, so die Geschichte, die ihr eine Psychiaterin erzählte, wie ein
jüdischer Junge aus dem Warschauer Ghetto gerettet wurde nachdem schwarz
gekleidete Männer mit Stiefeln (da vermied sie die Erwähnung SS!) seine
ganze Familie erschossen haben. Der Junge kam nach Israel wo er
adoptiert wurde und aufwuchs, um dann 1982 im Libanon in einem Dorf - so
die Autorin - das gleiche zu tun, wie die SS-Verbecher in Warschau, und
der deswegen in psychiatrischer Behandlung ist.
Dann wurde Jasmin, eine junge Israelin
zitiert, die erklärte, die Schüler die Auschwitz besuchen, werden
militaristisch und als ewige Opfer indoktriniert und die israelische
Gesellschaft wird militarisiert und die über die israelische
Arbeiterpartei und Schalom Achschaw (Frieden jetzt) herzog. Ihrer
Meinung nach ist lediglich die kleine Gruppe um Uri Avnery, der hier
auch rechtsextremen und antisemitischen Zeitungen Interviews gibt, der
wahre Friedenskämpfer. Nicht fehlen durfte eine Erklärung des
katholischen Bischofs Israels, der die USA belehrte, dass ihre Politik
eigentlich nicht die "Juden schützt". Dazu merkte Erika Weinzierl an,
dass die USA unter Clinton aber auch Bush jun. viel getan haben, um
einen Frieden zu erreichen.
Als ich mich zu Wort meldete, und auf die Asymetrie hinwies, dass in
Israel eine Demokratie existiert, in der z.B. Uri Avnery auch allerlei
Lügen über die Verhältnisse in Israel ungestraft verbreiten darf, z.B.
dass die Medien nur nachplappern, was die Militär- und
Regierungssprecher ihnen vorgeben, und dass es keine Opposition in den
Medien gibt und darauf hinwies, dass dieser Avnery in der weit
verbreiteten Tageszeitung "Maariv" eine wöchentliche Kolumne schreibt,
dass aber auf der anderen Seite kaum öffentliche Kritik an der Politik
der palästinensischen Führung geübt werden kann und als ich darauf
aufmerksam machte, daß die Autorin hier einen Markt mit
Emotionalisierung und Schuldzuweisung bedient, da gab es ein Murren im
Publikum. Meine
Bemerkung, dass man in Österreich die Splitter im israelischen Auge wohl
wahrnimmt, jedoch nicht den Balken in den eigenen Augen, zum Beispiel
kritisiert man Rechtsextreme in der israelischen Regierung, während
diese österreichische Regierung eine Wochenzeitung mit 63.000 EURO
subventioniert, die fast jede Woche antisemitische Karikaturen und Texte
veröffentlicht, erregte Widerspruch im Publikum. Man fordert von Israel
es solle doch alle palästinensische Flüchtlinge von 1948 und bis zu
deren Urenkeln zurücknehmen.
In Österreich aber kann jemand der von Österreich weggejagten Eltern
stammt, nur nach besonderem Ansuchen die Staatsbürgerschaft erhalten
obwohl die österreichischen Juden keinen Krieg gegen Österreich geführt
haben. Als ich fragte, wieso Österreich die Forderung des Präsidenten
der Wiener Kultusgemeinde ablehnt, 30.000 Juden einwandern lassen, damit
die Gemeinde nicht ausstirbt, wurde im Publikum laute Empörung geäußert
und ein Zuhörer rief "der soll nachhause fahren". Auf die Frage "wohin?"
antwortete er "nach Israel".
Mir kam das alles bekannt vor. Ich erinnerte
mich, wie 1986 eine junge schwarzhaarige nichtjüdische Österreicherin,
die gegen den Kandidaten Waldheim Flugzettel verteilte, aufgefordert
wurde doch "nach Israel zu gehen".
Der alte Ruf, "Juden nach Palästina" wird jetzt modernisiert, es heißt "Juden
nach Israel" und "Juden raus aus Palästina". Hinter all dem steckt in den
meisten Fällen weniger die Sympathie mit den Palästinensern als eher der in
Österreich tief verwurzelte Antisemitismus.
hagalil.com / 03-07-2002 |