
Theodor Much, Karl Pfeifer:
Bruderzwist im Hause Israel, Verlag Kremayr & Scheriau |
Die Zahl
der deutschsprachigen Publikationen über Israel ist unüberschaubar
und wird von Büchern zu (orthodoxem) Judentum, Zionismus und zur
Staatsgründung sowie zur Rolle Israels als Zentrum im
konfliktbeladenen Nahen Osten dominiert. Seltener ist eine
Publikation zu finden, die sich mit der innerjüdischen
Diversifikation und den daraus resultierenden Spannungen innerhalb
und außerhalb des Staates Israel - die manche Beobachter und
Beteiligte mit der Spaltung und Zerstörung des Staates Israel (Fall
des "Dritten Tempels") enden sehen, befasst.
Das Wiener Autorenduo Karl Pfeifer und Theodor Much setzte sich mit
den Spannungen innerhalb des israelischen Judentums überaus kritisch
und mit vielen Fakten und Zahlen auseinander. Die unterschiedlichen
Zugänge der Autoren - Pfeifer war lange Jahre Chefredakteur der
IKG-Monatszeitung "Die Gemeinde" und ist Vertreter des säkularen
Judentums in der Diaspora, Much ist Gründer und Präsident der
progressiven Bewegung "Or Chadasch" in Wien - tragen zu einer
differenzierten Bestandsaufnahme bei, der allerdings die orthodoxe
Perspektive abgeht.
Das Buch ist eine
spannende Auseinandersetzung mit den historischen Wurzeln, der gegenwärtigen
Situation und der zukünftigen Perspektive jüdischer Identität, wobei die
Autoren einen insgesamt pessimistischen Standpunkt einnehmen. Nicht zuletzt
spielt der Buchtitel auf ein Trauerspiel des Wiener Beamten und
Schriftstellers Franz Grillparzers an ("Ein Bruderzwist in Habsburg", 1872).
Konkret fürchten die Autoren eine weiterführende Dominanz orthodoxer und
ultraorthodoxer Strömungen, die das Monopol über das Judentum - etwa
hinsichtlich der Fragen: Wer wird als Jude angekannt? Oder: Wer kann
Konversionen vornehmen? - und über den Staat Israel - mit der Zurückdrängung
der demokratischen Institutionen und Errichtung eines "Gottesstaates" -
ausbauen möchten.
Auch die Auswirkungen auf
individuelle jüdische (?) Lebensläufe - Einwanderung nach Israel,
Zuerkennung der Staatsbürgerschaft, Heirat und Begräbnis - finden Platz in
der Analyse des Status Quo im Konflikt zwischen religiöser und nationaler
Identität des Judentums. Der - "optimistische" - Standpunkt der Autoren in
Bezug auf Israel ist eindeutig: sie verlangen eine Verfassung und stärkere
Anbindung des Staates Israel an die westlich orientierte demokratische
Staatengemeinschaft. Ob eine derartige Änderung dieser Rahmenbedingungen
eine adäquate Basis für das Völker- und Kulturengemisch im Staate Israel
sein kann, bleibt offen.
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