Unabhängigkeit der Justiz
in Österreich:
"Walhalla-Gruft"?
Von Karl Pfeifer, Wien
Die Unabhängigkeit der Justiz wird seitens der Regierung beachtet, berichtet der
jetzt veröffentlichte Menschenrechtsreport der amerikanischen Regierung. Auch
wenn die amerikanische Regierung es für notwendig erachtet, der schwarzblauen
Regierung dieses Kompliment zu machen, bleibt Tatsache: In Österreich ist die
Staatsanwaltschaft weisungsgebunden d.h. abhängig.
Und es ist vollkommen unerheblich, ob Dr. Dieter Böhmdorfer eine Weisung
ausspricht oder nicht. Der hier bei manchen herrschende Untertanengeist sorgt
schon dafür, daß in vorauseilendem Gehorsam alles zur Zufriedenheit Haider &
Böhmdorfer geschieht.
Wolfgang Schüssel herrschte im vergangenen November einen Journalisten an, der
nach der von der regierungsnahen Wochenzeitung »Zur Zeit« einberufenen
Zusammenrottung europäischer rechtsextremer Anführer zu fragen wagte, ob
"Österreich eine Art Walhalla-Gruft für Rechtsextreme werden könnte". "Ich
verstehe überhaupt nicht, wo Sie das moralische Recht hernehmen, jemanden als
Antisemiten hier in Österreich zu bezeichnen", entgegnete Schüssel und mahnte
den Journalisten zu "ein wenig mehr Sorgfalt in Ihrer Sprache", denn in
Österreich gebe es europaweit die strengste Antisemitismus- und
Neonazismus-Gesetzgebung... "Walhalla-Gruft und "Rechtsextremismus" seien
"schließlich Begriffe, die rechtlich anfechtbar" seien.
Schauen wir uns an, wie diese "strengste" Gesetzgebung angewendet wird. In der
Weihnachtsausgabe (5+6/2001) des Druckwerkes "Die Umwelt" findet sich auf Seite
2 folgender Text der Medieninhaberin und Herausgeberin Hemma Tiffner:
"Meine sehr verehrten Leserfreunde! Das letzte Drittel vom ersten Jahr des 21.
Jahrhunderts geht zur Neige, aber unsere Ohnmacht, in die wir durch die
schrecklichen Geschehnisse im 20. Jahrhundert von einer finsteren Macht versetzt
wurden, die scheint uns allmählich erträglicher. Nicht, daß wir die Opfer vom
11. September übergehen, im Gegenteil, wir bedauern sie sehr! Gemeint sind aber
nur die, die ahnungslos und unschuldig in den Sog einer machtlüsternen
Mörderbande hineingeraten. Hüben und drüben!"
Frau Tiffner bezeichnet die Anschläge vom 11. September 2001 als eine Art
Vergeltung:
"Wer dachte an diesem 11. September nicht an die Ohnmacht des eigenen Volkes wie
z.B. der zweimaligen Niederschlagung unserer Heimat und der schandhaften
Verträge von Versailles, Saint-Germain, die Schulbuchlüge von Katyn, an das
Schicksal der Menschen von Dresden, Hiroschima, Nagasaki, der Indianer, der
Helden von Stalingrad und weiß Gott noch an wen! Wer sprach nicht selten hinter
vorgehaltener Hand die Worte: "Endlich läßt der Herr unser Volk wissen, daß er
es nicht vergessen hat... "Wen Gott liebt, den prüft er!" so tröstete mich meine
Mutter stets wenn mich Leid traf."
Offen formuliert Frau Tiffner ihr Gefühl der Erleichterung und Befreiung
angesichts der Nachricht über die Massenmorde in New York und Washington:
"Gerade das Geschehen vom 11.9. ist es, daß die unserem Volke auferlegte
Ohnmacht nicht mehr so unendlich schwer auf uns lastet. Wissen wir nun, daß das
sich seiner so selbstsichere, die ganze Welt beherrschend wollende Amerika auch
verwundbar ist. Wenn die kursierenden Schriften, die aller Herren Länder
auftauchten, nur ein Fünkchen Wahrheit in sich bringen, dann ist zwar die
Erkenntnis die uns der 11.9. brachte nicht unbedingt ein Grund zur Schadenfreude
gegen unsere erbarmungslosen Ausbeuter der beiden Weltkriege, wohl aber Grund
genug für einen gesunden Denkanstoß. Immer öfter wird in einem Krankheitsfall
dafür plädiert, daß der Ursache der Krankheit nachgegangen werden muß um eine
Heilung leichter zu erwirken. Und fürwahr! Die Ursache wagt keines der
unterdrückten Völker aufzuzeigen, um ja nicht etwa in den Verdacht einer
Mittäterschaft bei den Ereignissen des 11. September zu geraten. Eigentlich
riecht die Aufforderung zur Allianz geschmacklos, wenn nicht sogar scheußlich:
"Erpressung" hört man da und dort sagen und wenn man ernst darüber nachdenkt,
scheint es auch so! Solange Amerika die Schandverträge aus den beiden
Weltkriegen aufrecht hält, sich für seine Verbrechen an den Völkern noch nicht
entschuldigt und keine Sühne geleistet hat, ist es mehr als geschmacklos und
arrogant, diese Völker zur Allianz verpflichten. Aber muß unser Volk sich nicht
auch genieren, Politiker, Richter, Staatsanwälte und Medien zu haben, die
rechtschaffene, geschichtsbewußte Bürger mit dem Verbotsgesetz niederprügeln
nur, weil sie sich gegen den Zeitgeist stemmen der zum Himmel schreit? Wäre es
nicht angebracht, unsere Jugend Berühmtheiten wie: Sven Hedin [nazifreundlicher
schwedischer Forscher K.P.], Rudolf Steiner [österreichischer Gründer der
Antroposophie, der auch Antisemitisches von sich gab K.P.], Pater Reichenberger
[sudetendeutscher Revanchist K.P.], Ludwig Wittgenstein [der Arme kann sich
nicht dagegen wehren K.P.], Walter Lüftl [prominenter Holocaustleugner], kurzum
Namen die ihre Seele nicht belasten, nahezubringen, anstatt sie mit der Masche
der ewigen "durch Zufall der Gaskammer entronnenen" Wiedergutmachungsempfänger
konfrontieren und in diffame [sic! K.P.] Schuldgefühle zu hetzen? Fragt man
heute junge Leute, die sich schon als kommende Politiker fühlen, nach genannter
Namen, schauen sie ahnungslos drein...."
Den Hintergrund dieser kaum kaschierten Gutheißung einer mit Strafe bedrohten
Handlung bilden die Revanchegelüste im organisierten Rechtsextremismus. In
diesem Milieu, welchem Frau Tiffner seit Jahrzehnten in bedeutender Position
angehört, wurde bis heute der Beitrag der USA zur militärischer Zerschlagung des
Nationalsozialismus nicht verwunden. Frau Tiffners Artikel geht jedoch über die
im Rechtsextremismus verbreitete Häme und Schadenfreude angesichts der
Terroranschläge gegen die USA noch hinaus. Die Staatsanwaltschaft Wien,
Geschäftsabteilung 54, Dr. Michael Klackl (Staatsanwalt) hat am 4. Jänner 2002
die gegen Frau Tiffner wegen § 282 Strafgesetzbuch erstattete Anzeige gemäß § 90
Abs 1 eingestellt. Ein Strafverfahren aus diesem Anlaß unterbleibt daher.
§ 282. (1) Wer in einem Druckwerk, im Rundfunk oder sonst auf eine Weise, daß es
einer breiten Öffentlichkeit zugänglich wird, zu einer mit Strafe bedrohten
Handlung auffordert, ist, wenn er nicht als an dieser Handlung Beteiligter (§
12) mit strengerer Strafe bedroht ist, mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren zu
bestrafen.
(2) Ebenso ist zu bestrafen, wer auf die im Abs. 1 bezeichnete Weise eine
vorsätzlich begangene, mit einer ein Jahr übersteigenden Freiheitsstrafe
bedrohte Handlung in einer Art gutheißt, die geeignet ist, das allgemeine
Rechtsempfinden zu empören oder zur Begehung einer solchen Handlung
aufzufordern.
Sind die Worte "Endlich läßt der Herr unser Volk wissen, daß er es nicht
vergessen hat..." nicht eine Gutheißung der Verbrechen vom 11.9.2001? Die
Staatsanwaltschaft denkt, daß sie es nicht wären. Ob das damit zusammenhängt,
daß auch die den Regierungsparteien nahestehende Wochenzeitung "Zur Zeit" für
Hemma Tiffners "Die Umwelt" wirbt? Sind es weltanschauliche Sympathien der
Staatsanwäte? Alles Fragen, die nur beantwortet werden könnten, wenn die
Staatsanwaltschaft ihre Gründe für die Einstellung eines Verfahrens mitteilen
müßte. Doch das muß sie nicht, es genügt den Paragraphen 90 Abs
1Strafprozeßordnung zu erwähnen.
Meiner Meinung aber hätte die Staatsanwaltschaft diesen Artikel auch nach § 3
des Verbotsgesetzes untersuchen können. Zum Beispiel besagt OGH vom 10.3.1970:
"Eine propagandistisch vorteilhafte Darstellung, welche die zum Nutzen der
geschichtlichen Wahrheit gebotene objektive Wertung der Ereignisse vermissen
läßt, stellt eine Verherrlichung dar. Ist es doch stets das Wesen einer gegen
ein bestehendes Verbot betriebenen, geschickten Propaganda, die Anpreisung,
Entschuldigung oder Glorifizierung des Verpönten keineswegs unter Berufung auf
das Grundrecht der freien Meinungsäußerung offen zu erklären, sondern dies in
unauffälliger Form und in - für oberflächliche Betrachter harmlos erscheinenden
- Verkleidungen einfließen zu lassen."
"Wer dachte an diesem 11. September nicht an die Ohnmacht des eigenen Volkes wie
z.B. der zweimaligen Niederschlagung unserer Heimat".
Also das offizielle Österreich hausiert im Ausland mit der Lebenslüge,
Österreich wäre lediglich erstes Opfer des Nationalsozialismus gewesen. Da
behauptet Frau Tiffner, unsere Heimat wäre 1945 nicht befreit, sondern
niedergeschlagen worden. Und das wird von der Staatsanwaltschaft nicht
beanstandet - obwohl aus diesem o.e. Spruch des OGH hervorgeht, daß das
Zuwiderhandeln gegen das Verbotsgesetz nicht nur in der klaren Verherrlichung
und Glorifizierung, sondern auch in der einfach unsachlichen, einseitigen und
propagandistisch vorteilhaften Darstellung erblickt wird (vgl. Merli, JBI 1986,
767). Fazit: Trotz "strengster Gesetze" und "Unabhängigkeit der Justiz" können
Artikel wie dieser in Österreich unbehelligt erscheinen und ob man Österreich
nun Walhalla-Gruft nennt oder nicht ist unerheblich.
hagalil.com / 14-03-2002 |