Trend auch in Österreich:
"Neue Historiker" ersetzen Tatsachen durch Narrative
Von Karl Pfeifer
Zuerst erschienen in "Die
Gemeinde"
Vor einigen Jahren kam in Israel ein neues Geschichtsbuch für Gymnasiasten
heraus, das die Öffentlichkeit schockierte. Der Unabhängigkeitskrieg Israels
gegen die arabischen Armeen wurde lediglich mit einer Landkarte illustriert, die
Umfang und Richtung der palästinensischen Flüchtlingsströme aus Israel zeigte -
ohne dass umgekehrt auch die Invasion der arabischen Armeen nach Israel
dokumentiert wurde. Dies ist nur ein Beispiel dafür, was eine Generation "neuer
Historiker" - die in den arabischen Ländern, aber auch von links- und
rechtsextremen "Antizionisten" bejubelt werden - unter der Zerschlagung der
"Mythen des Jahres 1948" versteht.
Im Herbst 1988 veröffentlichte die amerikanisch-jüdische Zeitschrift "Tikkun"
den Artikel "Neue Geschichtsschreibung: Israel stellt sich seiner Vergangenheit"
des damals noch nicht so bekannten Historikers Benny Morris, der sich selbst und
drei seiner Mitstreiter (Avi Shlaim, Ilan Pappe und Simcha Flapan) als "neue
Historiker" pries, die es auf sich genommen hätten, die "Leichen im Keller" des
Zionismus hervorzuholen und den Dogmen der israelischen Geschichtsschreibung den
Krieg zu erklären.
Heute zählen sich auch Soziologen, Politikwissenschaftler, Psychologen und
Journalisten zu den "neuen Historikern". In der Regel sind es nach 1948
geborene, politisch links stehende Wissenschaftler, die sich zumindest am Anfang
auf die Jahre der Schaffung des Staates konzentrierten. Später warfen einige von
ihnen den Zionisten vor, während der Schoah keine Juden gerettet und die
Überlebenden ausgenützt zu haben. Ihre Methoden unterscheiden sich: Während
Benny Morris und Avi Shlaim in Archiven recherchieren, bevorzugt Ilan Pappe
sekundäre Quellen.
Die "alten" israelischen Historiker bemühten sich bereits seit Jahrzehnten, die
ideologische Sicht der Dinge abzulegen und die auch in anderen Ländern üblichen
Methoden der Dokumentation und Analyse einzuführen. Kritisches Herangehen und
ein erfrischender Skeptizismus wurden spürbar. Die Geschichte, wie sie aus den
Quellen sichtbar wurde, sollte ohne politische Scheuklappen dargestellt werden,
auch wenn kein Historiker meinte, man könne die absolute Wahrheit erforschen.
Obwohl die "neuen Historiker" zu einer ideologisch-politischen
Geschichtsschreibung tendieren, wurden sie trotzdem Teil des "mainstreams".
Benny Morris wurde Professor an der Ben Gurion Universität in Beer Scheva und
hat seine Ansichten gemäßigt. Avi Shlaim lehrt internationale Beziehungen in
Oxford und Ilan Pappe ist Dozent an der Universität Haifa und kandidierte für
"Hadash", die kommunistische Partei Israels. Er erklärte: "Wir sind alle
politisch, es gibt auf der ganzen Welt keinen Historiker, der objektiv ist. Ich
bin nicht so sehr an dem interessiert, was geschehen ist, als an dem, wie
Menschen das sehen, was geschehen ist."(1) Wegen dieser politisch-ideologischen
Agenda stellt Pappe das "israelische Narrativ" dem palästinensischen gegenüber,
um dann das "zionistische Narrativ" zu verwerfen,ist doch der Zionismus in den
Augen von Dr. Pappe und der meisten "neuen Historiker" mit einer "Ursünde"
behaftet. Als ein archaisches Überbleibsel des westlichen Kolonialismus sei er
eine räuberische und aggressive Bewegung, die die palästinensische Tragödie
verursachte und für die Fortsetzung des Konflikts mit den arabischen Nachbarn
verantwortlich ist. "Die Schoah berechtigt nicht die Verwandlung von 750.000
Palästinensern in Flüchtlinge", reklamierte Dr. Pappe, seien die Palästinenser
doch die "echten Opfer" der Schoah. "Wenn der Preis des Zionismus das Entwurzeln
eines anderes Volkes ist, dann ist das ein zu hoher Preis und ich hätte auf den
Staat verzichtet." (2)
Die Affäre Katz
Die arabische Welt bestand und besteht auf dem "Recht auf Rückkehr" von
inzwischen Millionen von Abkömmlingen derjenigen, die 1947-48 geflüchtet waren,
und ist nicht bereit die Resultate anzuerkennen, die der selbst angezettelte und
verlorene Krieg geschaffen hat.
Die "neuen Historiker", insbesondere Dr. Ilan Pappe aber gefallen sich in der
Rolle von Stichwortgebern für arabische Revanchisten, die das Rad der Geschichte
zurückdrehen und auf den nationalen Selbstmord Israels hoffen. Im Frühjahr 2002,
als Uri Avnery und andere Gesinnungsgenossen von einem israelischen Massaker in
Jenin phantasierten, erregte auch Ilan Pappe internationale Aufmerksamkeit. Sein
Student Theodor Katz hatte einige Jahre zuvor für seine Diplomarbeit über die
Flucht von Arabern südlich von Haifa eine ausgezeichnete Note erhalten. Er
behauptete, Zeugenaussagen bewiesen ein Massaker, als am 22./23. Mai 1948 etwa
200 unbewaffnete Einwohner von Tantura, "vor allem junge Männer, erschossen
wurden", nachdem das Dorf von der israelischen Alexandroni Brigade umstellt
worden war.
Katz fragte ganz im Sinne seines Lehrers bereits auf der ersten
Seite seiner Arbeit: "Wie kann es sein, dass die Söhne des gleichen Volkes, die
erst unlängst davor die Opfer einer so furchtbaren Schoah wurden, sich lediglich
drei Jahre danach als so grausame Eroberer und Vertreiber entpuppen, und es gibt
auch diejenigen, die behaupten, als richtige Mörder, als Plünderer und
Räuber...". Anfang 2000 informierte er über seine "Entdeckung" die Tageszeitung
"Maariv", die diese "Sensation" auch publizierte. Wenige Tage danach klagten
mehrere Veteranen der Alexandroni-Brigade wegen übler Nachrede. Es kam zu einer
Gerichtsverhandlung, beim Kreuzverhör konnten Katz Ignoranz und grobe
Fälschungen nachgewiesen werden.
Tom Segev, ein den "neuen Historikern" nahe stehender Journalist und Historiker,
urteilte, die Forschungsarbeit von Katz werde den elementarsten Kriterien
historischer Forschung nicht gerecht. Im Sinne einer ideologischen
Vorentscheidung ist hier ein Massaker schlicht erfunden worden.(3) In
Wirklichkeit gab es einen Kampf um die Eroberung von Tantura, bei dem etwa 80
Araber und 14 israelische Soldaten getötet wurden. Katz nahm vor Gericht seine
ehrenrührigen Behauptungen zurück und versprach, eine Ehrenerklärung in den
Zeitungen "Maariv" und "Haaretz" abzugeben. So kam es zu einer Vereinbarung mit
den Klägern. Doch das war nicht im Sinne der antiisraelischen Geldgeber(4), die
seine Verteidigung mitfinanziert hatten. Katz versuchte vergeblich, seine
Vereinbarung mit den Klägern rückgängig zu machen und seine unhaltbaren
Behauptungen aufrechtzuerhalten.
Die Universität Haifa ließ diese Arbeit überprüfen und auf Grund von Fälschungen
und weiterer ernsthafter Mängel wurde sie disqualifiziert. Katz erhielt die
Möglichkeit, noch im gleichen Jahr eine neue Diplomarbeit vorzulegen und/oder
die Staatsprüfungen abzulegen. Das ließ Ilan Pappe nicht ruhen: Er ersuchte die
Vereinigung der amerikanischen Historiker, die akademischen Institutionen
Israels zu boykottieren und entfachte - hauptsächlich im Ausland - eine Kampagne
für die in Israel angeblich gefährdete akademische Freiheit. Ausgerechnet die
ägyptische Zeitschrift "Al Ahram" - die schon für die Meinungsfreiheit des
Holocaustleugners Roger Garaudy eingetreten war - entrüstete sich über die
Ablehnung der Arbeit von Theodor Katz und vergoss - so wie einige
palästinensische und islamistische Zeitschriften - Krokodilstränen für die
"braven Juden" Ilan Pappe und Theodor Katz, die angeblichen Opfer des
zionistischen Establishments.(5) Die Ideen der "neuen Historiker" sind nicht
wirklich neu. Seit es den Zionismus gibt, gibt es auch nichtjüdische und
jüdische Gegner, die eine ganze Literatur geschaffen haben, die erklärt, was am
Zionismus falsch und warum der Zionismus zum Scheitern verurteilt sei.
Später erklärten sie, warum Israel ein illegitimer künstlicher Staat sei, dem
man Widerstand leisten müsse. Insbesondere haben sich dabei die sowjetische und
die arabische Propaganda ausgezeichnet. Aber es gab auch in Israel kleine linke
und ultraorthodoxe Gruppen, die ähnlich argumentierten. Nur hatten diese
keinerlei Einfluss auf die Gesellschaft. Das sollte sich insbesondere nach dem
Abkommen von Oslo ändern, das den "Geschichtsumschreibern" ungeahnte
Möglichkeiten bot. Einige wollen das Rückkehrgesetz, das jedem Juden nach der
Einwanderung die Möglichkeit bietet, automatisch israelischer Staatsbürger zu
werden, abschaffen. Israel sollte ein "normales" Mittelmeerland werden, das
keine besonderen Beziehung zu den Juden der Diaspora pflegt. Radikale
"Revisionisten" argumentieren sogar, dass die Juden kein Recht auf eine eigene
Heimat hätten, da sie kein Volk seien und verschiedene Sprachen sprechen.
Fakten durch Narrative ersetzen?
Auch an Österreich ging dieser Trend nicht vorbei. Ein typischer Vertreter
dieser Richtung ist der Politikwissenschaftler Dr. John Bunzl (J.B.). Auf Grund
seiner vielen öffentlichen Auftritte entsteht der Eindruck, er sei der einzige
Nahostexperte in diesem Land und alle seine Stellungnahmen wären fundiert und
sachlich korrekt.
In einem Land, in dem viele Menschen glauben, Sachverständige für den Nahen
Osten zu sein, in dem aber nur sehr wenige wirklich eine Ahnung von der
Geschichte und Gegenwart dieser Region haben, kommt Experten eine besondere
Verantwortung zu. Auch von J.B. - der neben seiner Tätigkeit als Dozent an
einigen österreichischen Universitäten auch Mitarbeiter des Österreichischen
Instituts für Internationale Politik ist - sollte man deshalb ein Minimum an
ausgewogener Haltung erwarten können.
Statt dessen suggeriert J.B. sehr oft mit unklaren Formulierungen einen falschen
Sachverhalt, wie zum Beispiel im Artikel "Intifada 2000" (Die Furche, 19.
Oktober 2000): "Aus palästinensischer Sicht geht es bei Oslo jedoch mindestens
um eine Beseitigung der Folgen von 1967. Wenn vom "final status" die Rede ist,
dann müssen auch die Siedlungen und Ostjerusalem gemeint sein. Die Gebiete, die
Barak zurückzugeben verspricht, stellen für die Palästinenser nur 23 Prozent
ihrer ursprünglichen Heimat - und daher einen großen Verzicht - dar."
Für jeden, der die Geschichte des Konflikts genau kennt, stimmt dieser Satz.
Aber die meisten Leser kennen diesen Konflikt nicht genau und könnten glauben,
Barak hätte nur 23 Prozent der 1967 besetzten Gebiete den Palästinensern
offeriert. In Wirklichkeit hat er ca. 95 Prozent dieses Gebietes angeboten und
für den Rest einen Gebietsaustausch vorgeschlagen. Wo also wäre der große
Verzicht der Palästinenser, wenn es ihnen wirklich nur um die Gebiete geht, die
1967 von Israel besetzt wurden? Das ist ein Musterbeispiel für Dr. Bunzls
ausgeprägte Kunstfertigkeit, Assoziationen und Imaginationen der Leser durch das
Verschweigen historischer, geographischer und aktuell politischer Zusammenhänge
sowohl zu bedienen, wie auch in Gang zu setzen.
J.B. wiederholt lediglich die zumindest fragwürdigen Theorien einiger "neuer
Historiker" in Israel, wenn er sich "über die beiden Narrative, die Juden und
Palästinenser in den besetzten Gebieten voneinander trennen" (profil 15.April
2002) auslässt und den wirklichen Geschichtsablauf durch Narrative (Erzählungen)
ersetzen will.
J.B: "Der Krieg im Nahen Osten wird nicht nur mit Waffen ausgetragen, sondern
auch auf ideologischer Ebene. Mit den zwei Völkern stehen einander auch zwei
Sichtweisen auf dieselbe Geschichte und dasselbe Land gegenüber.... Angelpunkt
beider Narrative ist das Jahr 1948, das Jahr der Staatsgründung Israels, das von
beiden Kollektiven völlig gegensätzlich wahrgenommen wird. Was für Israel
"Unabhängigkeit" und "Befreiung" war, war für die Palästinenser "Nakba"
("Katastrophe"), was im Arabischen eine ähnlich dramatische Bedeutung hat wie
"Holocaust" für die Juden." Zwar sehen sich die Palästinenser gerne als
eigentliche Opfer des Holocausts, aber jeder Vergleich zwischen Holocaust und
"Nakba" grenzt an Relativierung des Holocausts, in dem ein Drittel des jüdischen
Volkes ermordet wurde.
"Nakba" bedeutet jedoch historisch, nachdem die Führer der palästinensischen
Araber, wie so oft vorher und nachher eine katastrophale Politik gemacht hatten,
die überwiegende Mehrheit der 600.000 - 700.000 Flüchtlinge freiwillig das Land
verlassen hat und eine Minderheit aus einem Kriegsgebiet zur Kriegszeit
vertrieben wurde. (6)
"Nakba" ist auch ein Vorwand dafür, den Nachkommen dieser Flüchtlinge (außer in
Jordanien) die Integration in die arabischen Gesellschaften zu verweigern, damit
sie von den Potentaten der arabischen Welt bis heute benützt werden können, um
von der Korruption und Verkommenheit der eigenen Regime abzulenken und den Hass
auf Israel zu lenken. J.B.: "Für die Palästinenser hingegen bedeutet 1948 das
existenzielle Trauma, den Verlust der Heimat, die Zerstörung ihrer Gesellschaft
und den Beginn der Diaspora."
Hier behauptet J.B., die damals sich als Teil der arabischen Nation sehenden
Flüchtlinge wären 1947-48 nicht zu ihren arabischen Brüdern gelangt, sondern in
eine fremde "Diaspora" und impliziert wieder einen Vergleich mit dem tragischen
Schicksal der Juden.
Er blendet - so wie andere "neue Historiker" - allerdings einige wesentliche
Fakten aus: Sofort nach dem Beschluss der Vereinten Nationen am 29.11.1947, das
Mandatsgebiet zu teilen, griffen Araber wahllos jüdische Zivilisten an, und es
kam zu bürgerkriegsähnlichen Zuständen - wobei die Juden sich meistens
verteidigten und die Briten zusahen.
Am 15. Mai 1948 überfielen die regulären arabischen Armeen den soeben
entstandenen jüdischen Staat und begannen einen Krieg, der erst 1949 mit einem
Waffenstillstand endete. Das Leiden der arabischen Flüchtlinge ist ein Ergebnis
dieses Krieges und kann nicht von diesem losgelöst betrachtet werden. Sie wurden
Opfer der Politik ihrer verblendeten Führer, die jeden Kompromiss mit den
jüdischen Nachbarn ablehnten. Das hat überhaupt nichts mit der Schoah zu tun.
1948, nach Ende des Krieges blieben über 150.000 Araber in Israel. Hingegen
durfte in den Gebieten, in denen die Juden 1948 Niederlagen erlitten, kein
einziger Jude - auch kein antizionistischer Orthodoxer - bleiben. Die jüdischen
Siedlungen wurden dem Erdboden gleichgemacht, so zum Beispiel Atarot und Neveh
Ya'akov nördlich von Jerusalem, sowie die Siedlungen im Gush Ezion zwischen
Betlehem und Hebron, wo auch ein Teil der jüdischen Bewohner getötet wurde.
Sucht die israelische Archäologie "verzweifelt"?
J.B.: "Subjektiv, objektiv. Diese Narrative finden ihren Ausdruck auf beiden
Seiten - in der Literatur, im kollektiven Bewusstsein, im öffentlichen Diskurs.
Subjektiv wahr sind beide. Aber objektiv ist das palästinensische Narrativ der
Wahrheit näher."
Sicher gibt es diese subjektiven Sichtweisen. Aber was soll man über einen
Nahostexperten sagen, der wichtige Fakten außer Acht läßt, wenn sie die
arabischen Narrative widerlegen?
Da Israel eine pluralistische Gesellschaft ist, haben schon sehr früh
israelische Schriftsteller die Tragödie der einfachen palästinensischen
Flüchtlinge thematisiert. In Israel gab und gibt es eine lebhafte Diskussion
über dieses Thema. In der palästinensischen Gesellschaft hat man aber - mit sehr
wenigen Ausnahmen - die Narrative von den Fakten abgekoppelt und versucht bis
heute, den Staat Israel zu delegitimieren. J.B. findet das "der Wahrheit näher".
J.B.: " In kaum einer anderen Gesellschaft ist die Archäologie derart wichtig
wie in der israelischen. Verzweifelt wird alles gesucht, was auf die eigene
Präsenz im Land vor 2000 Jahren hindeutet - weil sonst schwer zu argumentieren
wäre, dass es sich bei der Landnahme um eine "Rückkehr" handelt. Auch das
Dokument der Staatsgründung argumentiert so: Es beruft sich darauf, dass in
Palästina die Bibel geschrieben wurde."
J.B. macht es sich leicht, wenn er die palästinensische Position akzeptiert und
das Recht der Juden auf das Land Israel bestreitet. Immerhin hat schon der
Völkerbund dieses Recht bei der Vergabe des Mandats an Großbritannien im Juli
1922 in der Präambel - noch vor der Unterzeichnung eines Friedensvertrages mit
der Türkei - anerkannt: "Mit Rücksicht darauf wird die historische Verbindung
des jüdischen Volkes mit Palästina und die Gründe, in diesem Land ihre nationale
Heimstätte wieder zu errichten, anerkannt" (7)
Die zionistische Begründung beschränkt sich natürlich nicht nur auf die Bibel
oder auf archäologische Funde. Es mag schon stimmen, dass die Palästinenser die
archäologische Forschung "verzweifelt" bekämpfen, israelische (und andere)
Archäologen graben jedoch nicht "verzweifelt", sondern mit den Mitteln der
modernen Wissenschaft und finden immer wieder Hinweise darauf, dass in diesem
Land das jüdische Volk wirklich lange gelebt hat. Das könnte sogar ein in Wien
lebender Nahostsachverständiger zur Kenntnis nehmen, hätte er die Absicht, eine
komplexe Wirklichkeit ausgewogen darzustellen.
Wie argumentierten also die Zionisten wirklich?
Erstens war das ein dünn besiedeltes Land, dessen große Teile als unbesiedelbar
galten. Zweitens haben sich die arabischen Einwohner nicht als ein separates
Volk, sondern als Südsyrer definiert. Weiters nahmen die Zionisten an, dass die
arabische Bevölkerung, ob islamisch oder christlich, die Grundlagen ihrer
eigenen Religion kenne, in denen die Verbindung zwischen dem Volk Israel und dem
Land Israel anerkannt wird, und nachdem die Araber, die "Söhne Sems", - wie sie
selbst behaupten, wenn sie den in den arabischen Gesellschaften heute so
verbreiteten Antisemitismus leugnen - d.h. "Verwandte" der Juden wären, würden
sie die in ihr Land rückkehrenden Juden in Brüderlichkeit empfangen;
insbesondere würde die jüdische Besiedlung nur ihr Schicksal verbessern und
ihnen die Segnungen der westlichen Zivilisation bringen. Diese Annahmen
bestanden auch, nachdem der gewaltsame Widerstand von einem Teil der arabischen
Bevölkerung gegen die Einwanderer bekannt wurde. Die zionistische Führung
argumentierte - und nicht ohne Grund - dass dieser Widerstand nicht volkstümlich
wäre und dass hinter diesem, vom soziologischen und politischen Blickwinkel aus
gesehen, nicht eine ähnliche nationale Bewegung stehe, wie man sie aus Europa
kannte. Die Gewalt sei ein Resultat der Hetze einer dünnen Schicht, welche die
arabischen Massen ausnütze. Im Gegenteil, das wirkliche Interesse der arabischen
Fellachen und Arbeiter wäre die Unterstützung des Zionismus, der die Wirtschaft
des Landes entwickelte und die Gesellschaft vorwärts brachte. Sie betonten auch
das besondere Schicksal des Volkes Israel, das trotz allen Schwierigkeiten der
Diaspora immer seine Verbindung mit seinem Land bewahrt hatte.
Andere Völker entstehen in einem Land und lösen sich auf, indem sie sich von
diesem lösen. Doch für das Volk Israel ist es nicht nur das Land der Herkunft
sondern das Land der Verheißung. Nur dort kann es seine Bestimmung als Volk
erfüllen. Warum ausgerechnet in Erez Israel? Diese Frage wäre auch bei jedem
anderen Land gestellt worden, in dem das jüdische Volk sich hätte niederlassen
wollen. Denn alles in allem gab es kein Land, das menschenleer war. Erez Israel
wurde bestimmt, weil die Juden mit diesem Land als ihre historische Heimat
verbunden sind, und dieses Bewusstsein der Verbindung hat ihnen auch ein
Bewusstsein des Rechts gegeben.
Das historische Recht gründet nicht nur darauf, dass irgendwann in ferner
Vergangenheit die Vorväter des jüdischen Volkes dort siedelten, sondern auch
darauf, dass die Verbindung mit diesem Land nie abgerissen ist. Juden beten seit
zwei Jahrtausenden nach Jerusalem gerichtet. Während der viele Generationen
dauernden Diaspora haben die Juden nie die Hoffnung auf Rückkehr aufgegeben. Die
Anstrengung, immer eine jüdische Anwesenheit im Land aufrechtzuerhalten
begründet auch das legitime jüdische Recht. Die Araber, die im Land Israel
siedelten, gehörten vom nationalen Standpunkt der großen arabischen Nation an
und das Land Israel war eine von vielen Regionen, die von dieser Nation erobert
worden waren. Die Moslems beten seit über tausend Jahren nach Mekka und nicht
nach Jerusalem gerichtet. In all den Jahren der fremden Herrschaft über das Land
Israel hatte dieses keinen separaten politischen Status, der auch nie angestrebt
wurde. Hier gab es nur untergeordnete Verwaltungsbezirke sowie eine kleine und
arme Einwohnerschaft, die keine wirtschaftlichen, gesellschaftlichen oder
kulturell-geistigen Errungenschaften aufweisen konnte. Im Gegenteil, Erez Israel
wurde mit jeder Generation mehr und mehr verwüstet. Die landwirtschaftliche
Produktion ging zurück, die Böden verkamen und die Bevölkerungszahl sank.
Israel ein Staat ohne Staatsbürgerschaftsgesetz?
J.B.: "Der Staat Israel hat den Anspruch, alle Juden heimzuführen. Deshalb hat
Israel bis heute keine von sich selbst definierten Grenzen." Auch das ist
unwahr. Der Staat Israel hat dort keine Grenzen sondern Waffenstillstandslinien,
wo diese nicht in einem Friedensvertrag, wie mit Ägypten und Jordanien
festgelegt sind.
J.B: "Auch die Frage der Staatsbürgerschaft ist nicht geklärt - der Staat
repräsentiert nicht seine Bevölkerung, sondern die potenziellen Interessen aller
Juden der Welt. Dieser Staatsidee ist inhärent, dass sie dazu neigt, ihre
Grenzen immer weiter auszudehnen."
Auch dies eine Unwahrheit: Israel hat ein Staatsbürgerschaftsgesetz, in dem
geklärt ist, wer ein Recht auf Staatsbürgerschaft hat. Selbstverständlich können
sich auch Nichtjuden um Einwanderung bemühen und bei entsprechender
Voraussetzung die Staatsbürgerschaft erhalten.
J.B. unterstellt Israel, per "Staatsidee" permanent expandieren zu wollen, um
Einwanderer aufnehmen zu können. Doch erst 1967, nachdem Präsident Nasser die
UNO-Truppen aus dem Sinai verwiesen und die Seestraße von Tiran gesperrt hatte,
kam es zum Krieg. Wenn die arabischen Nachbarn nach diesem Krieg nicht jede
Verhandlung mit Israel abgelehnt hätten, dann gäbe es keine besetzten Gebiete.
Denn diese - mit Ausnahme des östlichen Teils Jerusalems, wo sich die Klagemauer
befindet - wurden ihnen angeboten. Doch darauf folgten die "drei Nein von
Khartum". Und zuletzt war Ehud Barak in Camp David bereit, diese besetzten
Gebiete zurückzugeben. Die palästinensische Reaktion darauf ist bekannt.
J.B.: "Es gibt im israelischen Bewusstsein eine grundsätzliche Unfähigkeit, das
Verhalten der Palästinenser in irgendeiner Weise auf das eigene Verhalten zu
beziehen. Lieber sieht man sie als grundlos bösartige Terroristen, die mit dem
Drang zu Gewalt geboren wurden."
Und wieder eine Unwahrheit. Knapp nach dem Krieg 1948 veröffentlichte S. Jishar
seine Erzählungen "Chirbat Chasa", in denen er die Flucht bzw. Vertreibung von
arabischen Bauern schilderte. Dabei kamen die israelischen Soldaten gar nicht
gut weg. Schon während der sechziger Jahre waren diese Erzählungen Prüfungsthema
der israelischen Maturanten.
Die Tatsachen der Geschichte kannte man in Israel schon vor dem penetranten
Selbstlob "neuer Historiker". In Israel ist auch heute laut Umfragen und trotz
mörderischem bösartigen Terror - die Mehrheit der Bevölkerung bereit, mit einem
palästinensischen Staat in Frieden zu leben, wenn die Palästinenser dies
wirklich wollen.
Aber so J.B.: "Auf der anderen Seite ist es für die Palästinenser sehr schwer,
die Legitimität Israels anzuerkennen - weil das bedeuten würde, die Legitimität
der eigenen Vertreibung anzuerkennen. Diesen Schritt kann man kaum verlangen.
Was man verlangen kann, ist die Anerkennung des neuen jüdischen Kollektivs, das
heute in Israel lebt."
Was ist denn das "neue jüdische Kollektiv, das heute in Israel lebt"? Scheut
sich J.B. über ein jüdisch-israelisches Volk zu schreiben? Und warum kann man
von den Palästinensern - auch wenn es schwer fällt - nicht verlangen,
historische Tatsachen zu akzeptieren? Andere Völker mußten dies auch tun.
"Das zionistische Unternehmen"
Am 28. Februar 2002 hielt Dr. John Bunzl im Zeitgeschichte Museum Ebensee einen
Vortrag "Die Geschichte des Staates Israel". Dieser wurde von "betrifft
Widerstand", Zeitschrift des Zeitgeschichte Museums und der KZ-Gedenkstätte
Ebensee, ungekürzt und autorisiert veröffentlicht. In diesem langen Vortrag
gelang es J.B. nicht, auch nur ein gutes Wort über den jüdischen Staat und den
Zionismus zu sagen. Es bleibt eigentlich ein Rätsel, wieso es dieser Bewegung
überhaupt gelang, einen Staat zu schaffen, wieso dieser Staat, sich in einer
feindlichen Welt behaupten, Millionen Einwanderer integrieren, die hebräische
Sprache wiederbeleben und eine vielfältige Kultur hervorbringen konnte. All dies
erwähnt J.B. in seinem Vortrag nicht. Sechs Wochen später beklagt er in der
Presse vom 14.4.02 sogar, dass "sich das zionistische Unternehmen als
Erfolgsstory empfindet". Hier übernimmt J.B. die Sprachregelung der arabischen
Extremisten, die den Begriff "Staat Israel" durch "zionistisches Unternehmen"
ersetzen.
Außerdem fällt in seinen Texten ein Ton auf, wenn es um den Zionismus oder
Israel geht, der den Eindruck erweckt, es mit einem Propagandisten zu tun zu
haben, der seine Sympathien und Antipathien bei seiner Schilderung eines
komplexen Konfliktes in den Vordergrund stellt, und nicht mit einem
Wissenschaftler. Dadurch entwertet J.B. aber auch jenen Teil seiner Kritik, der
sachlich gerechtfertigt ist. Die Energie, die er auf die Widerlegung bzw.
Diskreditierung des Zionismus verwendet, berührt sonderbar. Immerhin
interessant, dass während eines Jahrzehnts mehr als eine Million Juden aus der
ehemaligen Sowjetunion nach Israel eingewandert sind, obwohl diese Menschen
vorher durch Jahrzehnte einer antizionistischen Propaganda ausgesetzt waren.
J.B. präsentiert eine eigene Geschichte des Zionismus. Zum Beispiel: "In dieser
Bevölkerung von Osteuropa sind die wichtigeren Wurzeln der Idee des Zionismus zu
finden, obwohl Theodor Herzl - der offizielle Gründer - in Wien und in
Westeuropa gewirkt hat, waren seine Anhänger aus Osteuropa." Herzl ist nicht
"obwohl" er "in Wien und Westeuropa gewirkt hat" zum Zionisten geworden, sondern
eben weil er hier gewirkt hat. Hier hat er den Siegeszug Luegers miterlebt, in
Paris war er beim Dreyfuss-Prozess Zeuge, wie stark der Antisemitismus im Land
der Menschenrechte verbreitet war. Theodor Herzl hatte wenig Ahnung von der Lage
der Juden in Osteuropa, als er zum Zionisten wurde. Und es ist sicher kein
Zufall, dass die ersten Führer der zionistischen Bewegung aus Mitteleuropa kamen
und deutschsprachig waren. Sie hatten frühzeitig erkannt, dass Assimilation und
Eingliederung in die jeweiligen Gesellschaften für Juden auch nach Aufgabe ihres
Judentums nicht erreichbar waren, zumal sich der Antisemitismus in Europa
hauptsächlich gegen jene Juden richtete, die hofften, von ihrer Umgebung als
Gleiche akzeptiert zu werden.
J.B.: "Die Zionisten hatten eine andere Absicht [als die arabischen
Großgrundbesitzer K.P.]. Sie wollten Boden erwerben, um eine einwandernde
Bevölkerung dort zu verwurzeln und zur Keimzelle eines späteren Staates zu
machen und auch um aus diesem Boden eine Vorform staatlichen Territoriums zu
machen, und zwar eines ethnisch homogenen jüdischen Staates." J.B. behauptet
hier etwas, das sicher nicht Absicht der linken Zionisten war, die bis 1977 über
eine Hegemonie im Zionismus und im Staat Israel verfügten. Da gab es sogar eine
wichtige Bewegung bzw. Partei, die einen binationalen Staat anstrebte.
J.B. weiter: "Das heißt, dass mit der Bodenerwerbung durch zionistische
Organisationen auch eine vertragliche Vereinbarung verbunden war, die die
Fellachen zum Verlassen des Bodens zwang. Meistens fanden sie in Nachbardörfern
Unterschlupf. Dennoch gab es von Anfang an Konflikte, denn die Fellachen wollten
den Boden nicht verlassen. So entstand der israelisch-palästinensische
Konflikt."
Hier wiederholt J.B. schlicht und einfach die palästinensische Propaganda. Wer
hat palästinensische Fellachen enteignet? Die palästinensischen Bauern wurden
tatsächlich von ihren arabischen Brüdern, von den lokalen Scheichs und
Dorfältesten, von Steuereintreibern, den Händlern und Geldverleihern,
pauperisiert - und wenn er ein Pächter war (wie es üblicherweise der Fall war),
vom abwesenden Landbesitzer. Wenn am Ende die Ernte verteilt war, blieb wenig
für den Pächter und seine Familie übrig und er musste neue Schulden eingehen, um
die alten zu bezahlen. Dann kamen die Beduinen und nahmen ihren "Schnitt" oder
jagten den hilflosen Fellachen überhaupt weg.
Das war Alltag in Palästina während des XIX. Jahrhunderts. Das wurde erst durch
die jüdische Einwanderung unterbrochen, die für dieses mittelalterliche
Feudalsystem die Totenglocken läutete. Kein Wunder, dass die Juden den Hass und
die aktive Feindschaft der arabischen Scheichs, der abwesenden Landbesitzer, der
Geldverleiher und der Beduinen auslösten. Die erste jüdische landwirtschaftliche
Siedlung im modernen Palästina wurde nicht von Einwanderern, sondern von einer
Gruppe alteingesessener Familien aus dem überbevölkerten jüdischen Viertel der
Altstadt Jerusalems gegründet. (Laut türkischer Volkszählung 1875 war schon die
Mehrheit der Bevölkerung Jerusalems jüdisch, 1905 waren schon zwei Drittel Juden
und 1910 gibt die Encyclopaedia Britannica die Anzahl der Einwohner in Jerusalem
mit 60.000 an, von denen 40.000 Juden waren.) 1878 gründeten sie das Dorf Petach
Tikva in der Sharon Ebene - ein Dorf, das als die "Mutter der jüdischen
Siedlungen" bekannt wurde. Vier Jahre später siedelten sich Pioniere aus
Russland in Rischon le-Zion an.Bei der historischen Beurteilung der jüdischen
Ansiedlung sollte man folgende Punkte beachten:
1) Die Mehrheit der Landkäufe betraf große Ländereien, die
abwesenden Landbesitzern gehörten. (Fast das ganze Jesreel Tal
gehörte zum Beispiel 1897 nur zwei Personen: der östliche Teil dem
türkischen Sultan und der westliche Teil dem reichsten Bankier in
Syrien, Sursuk "dem Griechen".)
2) Der größere Teil des gekauften Landes war unbebaut, weil der
Boden morastig, felsig, versandet oder aus irgend einem anderen
Grund als unbebaubar betrachtet wurde. Das wird im Bericht der Peel
Commission (1937, p. 242) bestätigt: "Die arabische Beschuldigung,
dass die Juden einen zu großen Anteil an fruchtbaren Boden
erhielten, kann nicht aufrechterhalten werden. Ein großer Teil des
Landes, auf dem jetzt Orangen wachsen, waren Sanddünen, Sümpfe oder
unbebaut." (8)
3) Während die ersten Böden nicht zu teuer gekauft wurden, hat
der Bodenpreis in der Folge angezogen und die arabischen
Landbesitzer hatten ihren Vorteil von der wachsenden Nachfrage. Der
daraus folgende Kapitalimport hatte sich im Lebensstandard aller
Einwohner bemerkbar gemacht.
4) Nicht nur Juden, sondern auch Hunderttausende Araber wanderten
während der britischen Mandatszeit aus den Nachbarstaaten ein.
5) Die jüdischen Pioniere führten neue landwirtschaftliche
Methoden ein, welche die Qualität des Bodens und der Ernte
verbesserten. Diese wurden sehr bald von den arabischen Bauern
übernommen.
6) In den Fällen, wo als Resultat jüdischer Bodenkäufe arabische
Pächter (mit einer Kündigungsfrist von einem Jahr) entfernt wurden,
entschädigte man diese mit Geld oder mit Land, wie es die Verordnung
zum Schutz der Bauern aus dem Jahr 1922 vorsah. Die jüdischen
Landkäufer zahlten oft mehr als das Gesetz vorschrieb. Die von Lewis
French 1931 begonnene Untersuchung hat die Beschuldigung, dass als
Resultat des jüdischen Landkaufes eine breite Schicht von landlosen
und enteigneten arabischen Bauern geschaffen wurde, widerlegt.(9
Die Zahl der Gesuche für die Registrierung landloser Bauern
betrug 3.271. Von denen wurden 2.607 abgelehnt, weil sie nicht der
Kategorie von landlosen Arabern entsprochen haben. Als gültig wurden
lediglich 554 Familienoberhäupter akzeptiert, von denen 347 das
Angebot der Regierung zur Wiederansiedlung annahmen. Der Rest
verweigerte diese Wiederansiedlung, weil sie anderswo Arbeit
gefunden hatten oder weil sie nicht gewohnt waren, eine
Landwirtschaft mit Bewässerung durchzuführen oder weil ihnen das
Klima in den Siedlungsgebieten nicht behagte (Peel Report, Chapter
9. para 60) J.B. über den jüdischen Bodenerwerb: "Er wurde sozusagen
zum Kern einer späteren Staatlichkeit. Dieser Vorgang dauerte bis
1948, er war sehr kostspielig und sehr schwierig und mit vielen
Problemen verbunden. Bis 1948 wurden auf diese Weise nur 6 bis 7%
des Bodens des Mandatsgebiets von Palästina auf käufliche Art
erworben." Hier wird durch Weglassung wichtiger Fakten ein
Lieblingsthema der arabischen Propaganda suggeriert, nämlich dass
die jüdische Minderheit - die lediglich im Besitz von sechs bis
sieben Prozent des Landes in Palästina war - sich über die arabische
Mehrheit, die angeblich 94 Prozent des Landes besessen hat,
durchgesetzt hätte. Als im Mai 1948 der Staat Israel aber auf einem
Teil des Mandatsgebietes etabliert wurde, waren 8,5 Prozent des
Landes in jüdischem Besitz und 3,3 Prozent in der Hand von
israelischen Arabern, während 16,9 Prozent von seinen arabischen
Besitzern verlassen war. Der Rest des Landes - mehr als 70 Prozent -
war in den Händen der Mandatsbehörde und wurde so Eigentum des
Staates Israel. (10)
Die Behauptung, dass 94% des Landes im arabischen Besitz gewesen
wären, ist schlicht falsch. Natürlich behauptet das J.B. nicht. Er
erweckt aber diesen Eindruck. Dr. John Bunzls Rezept, um den
gegenwärtigen Konflikt zu lösen, da der Versuch von Oslo gescheitert
sei: "Solange es diese destruktive Bilanz gibt, muss etwas von außen
kommen, um diese Dynamik zu unterbrechen. Man muss der israelischen
Seite, die die stärkere ist, ein gewisses Maß an Souveränität
wegnehmen...". (Die Bunte Zeitung, Juni/Juli 2002) Dr. John Bunzl
und andere "neue Historiker" machen es sich leicht. Es kann nicht
zum Frieden kommen, wenn man an die eine Seite die höchsten
moralischen Maßstäbe anlegt und ihr demzufolge alle Schuld zuweist,
der anderen Seite aber die ausschließliche Rolle des unschuldigen
Opfers zugesteht, das keine Verantwortung für die eigenen Taten
übernehmen und mehr als fünfzig Jahre nach Gründung des Staates
Israel sich mit der Existenz eines jüdischen Staates nicht abfinden
will.
Wer nur die Arbeiten der "neuen Historiker" über den "Mythos der
Entstehung des Staates Israel" liest, der folgert: Die von David Ben
Gurion geführten Juden haben die Araber verjagt, keine Juden aus
Europa gerettet und die orientalischen Juden diskriminiert. Dass sie
nebenbei einen Staat geschaffen, im Krieg gesiegt und Millionen
Juden aus der Diaspora integriert haben, wird geflissentlich
übersehen. Die "neuen Historiker" haben im wesentlichen keine neuen
wissenschaftlichen Erkenntnisse über den Verlauf der israelischen
Geschichte gebracht und werden außerhalb Israels überbewertet.
Anmerkungen:
1) "AN INTERVIEW OF ILAN PAPPE", By Baudouin Loos,
Brussels, 29. November 1999.
2) Ilan Pappe, Yedioth Achronot 27.8.1993.
3) Neue Zürcher Zeitung,
18.6.02.
4) Katz erhielt von Feisal Husseini, dem im Juni 2001 verstorbenen
PLO-Aktivisten in Jerusalem 8.000 $, um seinen Prozess zu
finanzieren. Freunde hatten zuvor für ihn Geld gesammelt. Yedioth
Achronot und Haaretz vom 1.9.02.
5) Dalia Sarig beklagt in ihrem Kommentar in "Die Bunte Zeitung,
Medium für Würde, Gerechtigkeit und Demokratie" Wien, Juni/ Juli
2002 das bittere Schicksal von Pappe und Katz. Sie schreibt auch von
den "totalitären Strukturen der israelischen Gesellschaft... die
keinen Pluralismus und keine kritische Meinungsäußerung zulassen."
Immerhin hat der Professor für Elektronik Dani Censor von der Ben
Gurion Universität Beer Scheva, die gesamten Materialien der Affäre
Katz in das Internet gestellt (www.ee.bgu.ac.il/~censor/katz-directory)
, so dass Interessierte sich selbst ein Bild davon machen können,
dass die Sorge von Dalia Sarig, "um den Weiterbestand einer
israelischen Akademie, die Pluralismus und Meinungsvielfalt zulässt"
vollkommen überflüssig ist.
6) Benny Morris, Ledata schel baajat haplitim hapalestinim,
1947-1949, Am Oved, Tel Aviv, 1991
7) "Whereas recognition has thereby been given to the historical
connexion of the Jewish people with Palestine and to the grounds for
reconstituting their national home in that country." The Political
History of Palestine under British Administration, Memorandum by His
Britannic Majesty's Government presented in July 1947, to the United
Nations Special Committee on Palestine, Published at Jerusalem 1947.
8) "The Arab charge that the Jews have obtained too large a
proportion of good land cannot be maintained. Much of the land now
carrying orange groves was sand dunes or swamp and uncultivated when
it was purchased...".
9) Memoranda prepared by the Government of Palestine, London 1937,
Colonia No. 133, p. 37.
10) Land Ownership in Palestine 1880-1948 by Mosha Aumann, Israel
Academic Committee on the Middle East und Arie L. Avnery,
Hahitjaschwut hajehudit vetaanat hanischul 1878-1948, Hakibbuz
Hameuchad 1980.
Verwendete Literatur:
Efraim Karsh Fibruk Hahistoria hajisraelit
"Hahistorionim hachadashim", Hakibbuz Hameuchad, 1999.
Anita Shapira Jehudim Chadashim Jehudim Jeshanim, Am Oved, Hadpassa
shnia, 1997 und Cherev Hajona, Am Oved 1992.
Eliezer Schweid Moledet veErez Jeuda, Am Oved 1997.
Oz Almog Hazabar - Djokan, Am Oved 1997.
James Parkes Whose Land? A History of the Peoples of Palestine,
Penguin, 1971.
hagalil.com
06-11-02 |